Schwangere brauchen ganzes Dorf zum Seelenheil
Archivmeldung vom 04.08.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.08.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Existenz sozialer Netzwerke entscheidet darüber, ob es Schwangeren gut geht oder nicht. Das haben Forscher der University of Michigan nun in der Zeitschrift "Journal of Cultural Diversity and Ethnic Minority Psychology" gezeigt. Sie begleiteten 300 schwangere Frauen während der gesamten Schwangerschaft und untersuchten dabei, was für ihr psychisches Wohlbefinden den Ausschlag gab.
Nur auf den ersten Blick schien es, als
ob Status, ethnische Zugehörigkeit und Reichtum die wichtigsten
Faktoren sind. Frauen, die in diesen Punkten besser gestellt waren, ging
es tendenziell besser. Gleichzeitig ging es jedoch auch einem Teil der
benachteiligten Frauen blendend. Bei genauem Hinsehen zeigte sich, dass
diese besonders aktive soziale Kontakte hatten. "Eingebundensein in ein
enges soziales Netz ist wichtiger für das Wohlbefinden von Schwangeren
als Ethnizität oder Status", fasst die Psychologin und Studienleiterin
Cleopatra Abdou zusammen.
Gesund trotz schlechtester Vorzeichen
Die Frage, warum Menschen trotz widriger ökonomischer, sozialer oder genetischer Umstände gesund sind, wird in der Medizin immer wichtiger. Sie wird "Salutogenese" oder "Resilenzforschung" genannt. "Drei Fähigkeiten sind dafür zentral", berichtet Edith Wolber, Sprecherin des Deutschen Hebammenverbands e.V. http://www.hebammenverband.de, im pressetext-Interview. "Menschen sind eher gesund, wenn sie sich selbst als Handelnde statt als Opfer erkennen. Zweitens ist es wichtig, das Geschehene intellektuell und emotional zu verstehen und richtig einzuordnen. Schließlich hilft es zu wissen, dass es auch einen Sinn hat", so die Expertin.
Die Schwangerschaft ist für Wolber eine psychische
Ausnahmesituation. "Der Körper ist im Umbruch und die Hormone verändern
die Emotionen und auch die Begegnung mit anderen. Zudem wächst Leben im
Bauch der Schwangeren heran. Das verunsichert, ängstigt und erfordert
Austausch und besondere Betreuung." Diese gab es früher automatisch
durch die Nähe zu erfahrenen Frauen wie Mutter, Schwiegermutter,
Freundinnen oder Nachbarn. Heute ziehen Frauen oft weit weg von zuhause.
"Viel hat sich in Internet-Foren verlagert. Es braucht jedoch
emotionale, körperliche und direkte Hilfe. Diese wurde
professionalisiert - in Form der Hebammen."
Gesellschaft verkennt das Schwangersein
Nicht eindeutig geklärt ist weiter, warum es manchen Schwangeren körperlich gut geht, anderen jedoch nicht. Wolber betont allerdings auch hier den Zusammenhang zur Psyche. "Kann eine Frau ihren Seelenschmerz nicht mit Worten ausdrücken, so spricht der Körper." Das sei heute immer schwieriger. "Erstgebärende sind heute 30 Jahre alt, haben schon gelernt ihr Leben zu managen und sich der männlich dominierten Arbeitswelt anzupassen. Diese sieht zwar, dass die Schwangerschaft keine Krankheit ist. Doch sie duldet sie aber auch nicht als Ausnahmesituation, in der Frauen eine Auszeit wünschen." Körperliche Symptome und Krankenstand seien somit für viele ein notwendiger Fluchtweg in dieser Zerrissenheit.
Quelle: pressetext.deutschland Johannes Pernsteiner