Auf dem Weg zu künstlichem Gewebe?
Archivmeldung vom 20.05.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür moderne Implantate und die Zucht künstlicher Gewebe und Organe werden Materialien mit möglichst naturnahen Eigenschaften benötigt. Das Gewebe unseres Körpers zeigt jedoch eine Eigenschaftskombination, die nur sehr schwer in synthetischen Materialien nachgeahmt werden kann: Es ist gleichzeitig weich und sehr belastbar.
Ein australisch-koreanisches Forscherteam um Geoffrey M. Spinks und
Seon Jeong Kim hat nun ein neuartiges, hochporöses schwammartiges
Material entwickelt, das in seinen mechanischen Eigenschaften dem von
biologischem Weichteilgewebe sehr nahe kommt. Wie die Wissenschaftler
in der Zeitschrift Angewandte Chemie berichten, besteht es aus einem
robusten Netzwerk aus DNA-Strängen und Kohlenstoffnanoröhrchen.
Weichteilgewebe wie Sehnen, Muskeln, Arterien, Haut und andere Organe
erhalten ihre mechanische Stütze durch die extrazelluläre Matrix, einem
Netz proteinbasierter Nanofasern. Verschiedene Protein-Morphologien
führen dabei zu Geweben mit einer ganzen Bandbreite von Steifigkeiten.
Als Implantate oder als Gerüste für die Gewebezüchtung braucht man
poröse, weiche Materialien - die meist aber sehr fragil sind. Da viele
biologische Gewebe regelmäßig starken mechanischen Belastungen
ausgesetzt sind, ist es zudem wichtig, dass das Implantatmaterial eine
vergleichbare Elastizität ausweist, um Entzündungen zu vermeiden.
Gleichzeitig muss das Material sehr fest und belastbar sein, sonst kann
es versagen.
Das neue Konzept nutzt DNA-Stränge als Matrix, die die gerüstbildenden
Kohlenstoffnanoröhrchen in Anwesenheit einer ionischen Flüssigkeit
regelrecht einwickeln und zu einem Gel vernetzen. Dieses Gel kann man
spinnen: Nicht anders als beim Nassspinnen von Seide oder Kunstfasern
für Textilien lassen sich hauchfeine Fäden erzeugen, wenn man das Gel
in ein spezielles Bad eindüst. Die getrockneten Fäden haben eine poröse
schwammartige Struktur und bestehen aus einem Netzwerk ineinander
verschränkter ca. 50 nm dünner Nanofasern. Einweichen in einer
Calciumchloridlösung vernetzt die DNA weiter, die Fäden werden
wesentlich dichter und fester miteinander verbunden.
Diese schwammartigen Fasern ähneln den Kollagenfasernetzen der
biologischen extrazellulären Matrix. Sie lassen sich zudem knoten,
flechten und zu textilartigen Strukturen verweben. So entstehen
Materialien, die so elastisch sind wie die weichsten natürlichen
Gewebe, gleichzeitig verleihen ihnen die robusten DNA-Kontaktstellen
eine hohe Belastbarkeit.
Ein weiterer Vorteil ist die elektrische Leitfähigkeit des neuen
Materials, das sich damit auch als Elektrodenmaterial für mechanische
Stellglieder, Energiespeicher und Sensoren eignet. So gelang es den
Forschern etwa, einen Wasserstoffperoxid-Sensor herzustellen. Die
Kohlenstoffnanoröhrchen katalysieren die Oxidation von
Wasserstoffperoxid, dabei entsteht ein messbarer Stromfluss.
Wasserstoffperoxid spielt eine Rolle in der normalen Herzfunktion und
bei bestimmten Herzerkrankungen. Ein robuster Sensor mit der
Dehnbarkeit des Herzmuskels wäre eine große Hilfe für die Erforschung
dieser Zusammenhänge.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.