Die "Eis-Meere" des Mars
Archivmeldung vom 17.03.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittForscher haben riesige Wasserreservoirs in Form von fast reinem Eis in beiden Polarregionen des Mars entdeckt. Die Eisschichten sind bis zu 4000 Meter dick. Der Fund gelang mit dem Radar-Experiment MARSIS (Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding) der ersten planetaren Mission MarsExpress der Europäischen Raumfahrt-Organisation ESA (European Space Agency).
"Jüngste wissenschaftliche Auswertungen dieses Experiments allein für den Südpol
haben bis in einem Umkreis von 300 km ein asymmetrisch verteiltes Wasservolumen
der Größenordnung von einer Million Kubikkilometern ergeben, entsprechend einer
globalen Wasserschicht von etwa elf Metern Dicke", erklärt Prof. Dr. Peter
Edenhofer (Arbeitsgruppe Antennen und Wellenausbreitung der RUB), der an dem
Experiment beteiligt ist. Über die Ergebnisse berichten die Forscher in der
aktuellen Online-Ausgabe von "Science".
Radargestützte Fernerkundung der
Eisablagerungen am Südpol
Die am Südpol des Planeten Mars vermessenen
geschichteten Eisablagerungen weisen typischerweise drei verschiedene Arten von
Radarechos auf: Zum einen sind besonders starke, von der Mars-Oberfläche
herrührende Radarechos zu identifizieren, wobei das Strukturprofil dieser Echos
weitgehend der Topografie folgt, die aus Entfernungsmessungen mit einem
optischen Sensor Lidar stammen (sog. MOLA-Daten: Mars Orbiter Laser Altimeter,
d.h. eine Art optisches Radar). Diese Daten nutzen die Forscher ergänzend als
Vorab-Information zur topografischen Kartierung der Marsoberfläche. Zum anderen
existiert im allgemeinen das zeitversetzte Profil eines relativ starken
Radarechos, das von der Unterseite bzw. der Eis-Grundfläche der in einem
ausgedehnten Bassin oder Trog mit einer vorwiegend steinigen Grenzfläche
(bedrock) abgelagerten Eisschichten reflektiert wird. Die Zeitverzögerung
zwischen den beiden Arten von Radarechos lässt Rückschlüsse auf das Medium zu,
das die ausgesandten und reflektierten Wellen auf ihrem Hin- und Rückweg
durchdringen müssen, bis sie wieder detektiert werden: in diesem Fall nahezu
verlustloses, reines Wassereis (Dielektrizitätskonstante = 3 bis 3,5). "Aus der
insgesamt gemessenen Zeitverzögerung ergibt sich schließlich als Schichtdicke
der Eisablagerungen ein typischer Wert von drei Kilometern mit asymmetrisch um
den Südpol verteilten seitlichen Ausdehnungen der Größenordnung 1000 km und
mehr", fasst Prof. Edenhofer diese Ergebnisse zusammen.
Steinige
Bassins, Hügel und Berge
Die zu diesen gewaltigen Eisschichten gehörigen
Zeitprofile der beiden Radarechos (Mars-Oberfläche/Eis-Grundfläche) lassen
schließlich eine zumeist bandartige Feinstruktur zusätzlicher Unter- bzw.
Zwischenschichten erkennen. Sie führen zu teils (mehrfach) reflektierten, teils
diffus rückgestreuten Signalanteilen mit frequenzabhängigen, möglicherweise
schichtspezifischen Interferenzphänomenen bzw. bisher noch nicht geklärten
Interferenzmustern. Die jeweils von der Unterseite der Eisablagerungen
herrührenden, relativ starken Radarechos lassen auf kontinuierlich verlaufende,
bassin- oder trogartige reliefarme Absenkungen oder segmentartig aufeinander
folgende Hügel- oder Bergformationen mit Hanglagen, sowie auf poröse,
verfestigte Bodenmaterialien wahrscheinlich vulkanischen Ursprungs schließen.
"In diesem Zusammenhang wird das Zustandekommen von Reservoirs flüssigen Wassers
infolge von z. B. Schmelzprozessen an der Grundfläche der Eisablagerungen
ausgeschlossen, zumal die vermessenen Lagerstätten zu den Orten auf der
Marsoberfläche gehören, die die tiefsten Temperaturen aufweisen", erklärt Prof.
Edenhofer.
Elf Meter dicker Eismantel könnte Mars vergleichsweise
umschließen
Die Eisablagerungen verursachen bei einem Staubgehalt von nur
wenigen Prozent eine minimale Dämpfung des Radarsignals, so dass für das erhöhte
räumliche Auflösungsvermögen des multifrequenten Synthetic-Aperture-Radarsystems
(1,3 bis 5,5 MHz) auch feinstrukturierte Eisschichten (SPLD - South Polar
Layered Deposits) bis zu einer Größenordnung von 10 m erkennbar sind. Die
Auswertungen hierzu beziehen sich auf Radar-Messkampagnen von MARSIS, die auf
der Nachtseite der südlichen Hemisphäre von Mars vorwiegend im Zeitraum November
2005 bis April 2006 durchgeführt wurden (mehr als 300 Orbits, Messungen bei
vorwiegend zwei Signalfrequenzen, Korrektur ionosphärisch bedingter
Ausbreitungseffekte). Basierend auf qualitativ hochwertigen
MARSIS-Radarmessungen aus einer Auswahl von ca. 60 MarsExpress-Umläufen haben
die Forscher für die Mars-Südpolregion (Breitengrade größer ca. 75 Grad) eine
Falschfarben-Kartierung der Topografie der radardetektierten Eis-Grundflächen
aller vermessenen Ablagerungen erstellt. Zunächst wurden etwa sechs
identifizierte, besonders ausgeprägte und weit ausgedehnte regionale Bereiche
(einige 100 bis 1000 km) mit Wassereis kartiert. In Kombination mit den
Lidar-Entfernungsmessungen wurde schließlich eine Karte der Topografie der
Schichtdicke der Eisablagerungen erstellt, wozu die Differenz zwischen optisch
abgetasteter Mars-Oberfläche und radardetektierten Eis-Grundflächen ermittelt
wurde. Die maximale Dicke der Eisschicht beträgt demnach fast vier Kilometer,
besonders bei hohen Breitengraden und asymmetrisch innerhalb der Längengrade
zwischen ca. 320 Grad O bis 10 Grad O. Hieraus lässt sich ein Volumen der
Eisablagerungen in der Südpolregion von ca. 1,6 x 10 hoch 6 Kubikkilometern
berechnen. "Würde sich das Eis gleichmäßig über die Planetenoberfläche
verteilen, wäre die globale Eisschicht vergleichsweise elf Meter dick",
erläutert Prof. Edenhofer.
Technik des Radarsystems
Das für MARSIS
entwickelte Radargerät ist ein hochauflösendes Mehrfrequenz-Instrument vom Typ
des Synthetic Aperture Radar (SAR) mit bordseitiger Datenvorverarbeitung. Es
kann vor allem deshalb so große Eindringtiefen von bis zu sieben Kilometern in
den Marsboden erzielen, weil es bei relativ niedrigen Frequenzen in vier Bändern
zwischen 1,3 und 5,5 MHz mit einer jeweiligen Bandbreite von 1 MHz (stepped
frequency concept) betrieben wird. Das radiale Auflösungsvermögen
(Entfernungsmessung) beträgt mit einer Pulswiederholfrequenz von 127 Hz und
einer Mittelung über typischerweise 100 Pulse bei einer Spitzensendeleistung von
10 W ungefähr 150 m. Das laterale Auflösungsvermögen beträgt etwa 10 bis 30 km
quer zur Flugrichtung und bordseitig SAR-gestützt 5 bis 10 km in Flugrichtung
mit einem typischen Signal-zu-Rauschverhältnis von 30 bis 50 dB.
MARSIS
Antennensystem
Das MARSIS Antennensystem besteht aus einem senkrecht zur
Flugrichtung ausgerichteten Dipol mit Dipolarmen der Länge von jeweils 20 m und
einem senkrecht zur Marsoberfläche positionierten sowie nach oben gerichteten
Monopol der Länge 7 m (zwecks Reduktion von Bodenclutter und Separation von
seitlich zeitgleich einfallenden Echosignalen). "Von besonderer Problematik im
Hinblick auf Frequenz- und Polarisationsabhängigkeit erwiesen sich bei diesem
Antennensystem im Nahfeld relativ starke elektromagnetische
Strahlungskopplungseffekte zum komplex strukturierten Zentralkörper von
MarsExpress , zu den beiden winkelverstellbaren Sonnensegeln und insbesondere zu
der auf die Erde ausgerichteten Telemetrie-Parabolantenne", hebt Prof. Edenhofer
hervor. Diese Effekte führen u.a. zu einer Missweisung der elektrisch wirksamen
Achse des Antennensystems und zu einer Verkopplung der aktuellen
Radar-Signalechos über die Empfangskanäle jeweils von Dipol und Monopol, was nur
teilweise korrigiert werden kann
(Kalibrationsproblem).
Förderung
Neben der Förderung durch die ESA auf europäischer Ebene wird die Raumfahrtmission MarsExpress durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gefördert. Im Februar 2007 beschloss das Science Program Committee der ESA einstimmig in Anerkennung der bisher erzielten einzigartigen Missionsergebnisse und ihrer herausragenden Bedeutung für künftige Generationen von Wissenschaftlern und Planetenmissionen, die Mission MarsExpress (und übrigens auch VenusExpress) bis Mai 2009 zu verlängern.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.