Kosmische Gammastrahlen-Ausbrüche ohne dazugehörige Supernova?
Archivmeldung vom 22.12.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.12.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwei junge Astrophysiker am Zentrum für Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) haben mitgewirkt an der Entdeckung zweier kosmischer Gammastrahlen-Ausbrüche (Gamma-ray Bursts, GRBs), die entgegen der Erwartung nicht begleitet wurden von einer Supernova-Explosion. Diese Beobachtung stellt eine Herausforderung dar für das klassische Modell dieser hochenergetischen Phänomene, deren Strahlung von weit entfernten Galaxien zu uns kommt.
Es gibt zwei Sorten dieser nur kurze Zeit dauernden Gammastrahlen-Ausbrüche
(Millisekunden bis zu wenigen Minuten): die "kurzen" werden mit dem Verschmelzen
zweier kompakter Objekte mit Massen ähnlich der der Sonne erklärt (Dauer: unter
2 Sekunden); die "langen" dagegen (Dauer über 2 Sekunden) sollten dann
entstehen, wenn ein Stern mit der vielfachen Masse der Sonne am Ende seines
Lebens in Form einer Supernova explodiert. Diese neue Entdeckung - lange
Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova - führt zu der Erkenntnis, dass der
Anteil der GRBs ohne gleichzeitige Supernova-Explosion viel größer sein muss,
als bisher vermutet.
Gammastrahlen-Ausbrüche (GRBs) sind Phänomene sehr
hoher Energie, die in Zusammenhang stehen mit der Explosion eines massereichen
Sternes am Ende seines Lebenszyklus oder mit dem Verschmelzen zweier kleinerer
Sterne. Die in den letzten Jahren gesammelten Daten legten den Schluss nahe,
dass die kurzen GRBs beim Zusammenstoß und anschließenden Verschmelzen zweier
Himmelskörper mit sonnen-ähnlichen Massen auftreten, während die langen GRBs auf
einen sehr massereichen Vorgängerstern hindeuten, der in Form einer Supernova
explodierte (dieses Modell wird auch "Kollapsar" genannt).
Bis jetzt
wurde diese Theorie in allen Fällen eines langen Gammastrahlen-Ausbruchs durch
den Nachweis einer entsprechenden Supernova bestätigt, während bei den kurzen
GRBs bisher keine Hinweise auf eine Supernova-Explosion gefunden
wurden.
Aber dieses einfache Modell scheint nun durch zwei neue
Beobachtungen herausgefordert zu werden. An diesem Donnerstag berichtet ein von
Johan Fynbo geleitetes Team, dem auch zwei Astrophysiker vom Zentrum für
Astronomie der Universität Heidelberg (ZAH) angehören (Postdoc Arnaud Cassan und
Doktorandin Marta Zub), die Entdeckung zweier Gammastrahlen-Ausbrüche langer
Dauer, für die keine gleichzeitige Supernova-Explosion ermittelt werden konnte,
trotz sehr vieler und lange belichteter Aufnahmen, die auch schwache
Supernova-Signaturen hätten finden müssen.
Die zwei Ereignisse, die die
Namen GRB060505 und GRB060614 tragen (nach den Daten, an denen sie gemessen
wurden), wurden mit dem Satelliten-Teleskop Swift entdeckt; ihre jeweilige Dauer
betrug 4 Sekunden bzw. 102 Sekunden. Sehr kurz danach erfolgte Messungen mit
optischen Teleskopen in Chile und Hawaii wiesen nach, dass sich die Objekte in
relativ nahen Galaxien befinden. Bei allen bisherigen solchen langen
Gammastrahlen-Ausbrüchen hatte man in den darauffolgenden Tagen eine
Supernova-Explosion identifizieren können. Dieser Nachweis gelang in diesen
beiden Fällen nicht.
Zwei einfache Hypothesen könnten das Fehlen einer
Supernova-Explosion erklären. Zum einen könnten diese beiden GRBs Extremfälle
von kurzen Gammastrahlen-Ausbrüchen darstellen. Allerdings sind sie deutlich
länger als irgendein vorher beobachteter kurzer GRB, und ihre Positionen am
Himmel in Sternentstehungsregionen naher Galaxien argumentieren stark zugunsten
von massereichen Vorgänger-Sternen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, dass
die Entfernungen dieser beiden GRBs viel größer sind, als man denkt, und ihre
Himmelsposition nur zufällig mit den beiden Vordergrundgalaxien übereinstimmt.
Es ist allerdings extrem unwahrscheinlich, dass diese Interpretation gleich in
beiden Fällen zutreffen sollte. Diese zwei neuen Beobachtungen führen in jedem
Fall dazu, die klare Trennung zwischen kurzen und langen Gammaray-Bursts
aufzugeben, und damit auch die eindeutigen Beziehungen zu den Massen der
Vorgängersterne. Dies würde auch bedeuten, dass das Fehlen einer Supernova nicht
notwendigerweise einen massereichen Vorfahren ausschließt.
Da mit diesen beiden nun gleich zwei solche Kandidaten unter den sechs nächstgelegenen Gamma-ray Bursts sind, kann man erwarten, dass der Anteil der langen Gammastrahlen-Ausbrüche ohne Supernova viel höher ist, als bisher angenommen. Damit bedeutet diese Messung eine große Herausforderung für unser gegenwärtiges Verständnis der physikalischen Mechanismen von Gammastrahlen-Ausbrüchen. Offensichtlich sind sehr viel mehr Beobachtungen solcher Ereignisse notwendig, um mögliche Modelle zu bestätigen oder besser abzustimmen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.