Luther kommt nach Hause
Archivmeldung vom 24.08.2019
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNicht nur die weißen Handschuhe weisen auf die Bedeutung hin, als Dr. Joachim Ott den Band aus den Händen von Prof. Dr. Corinna Dahlgrün, der Dekanin der Theologischen Fakultät der Universität Jena, entgegennimmt. Der Leiter der Sondersammlungen der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) freut sich sichtlich über dieses Buch der Jenaer Ausgabe der Schriften des Reformators Martin Luther aus dem 16. Jahrhundert. Exakt handelt es sich um den 1561 in der Druckerei im Jenaer Karmelitenkloster gefertigten fünften Band der deutschen Reihe der Jenaer Lutherausgabe in der zweiten Auflage.
„Was dieses Exemplar so besonders macht, ist sein prächtiger Ledereinband mit vergoldeten Einzelstempeln, die unter anderem Luther und seine Rose zeigen, und kunstvoll punziertem Goldschnitt. Er ist ein Meisterwerk von Johannes Weischner, der 1563 bis 1588 Bibliothekar und Buchbinder der Jenaer Bibliothek – also der heutigen ThULB – war“, erläutert Ott. „In der Einbandforschung genießt der Name Weischner großes Ansehen.“
Das Geschenk verantwortungsvoll unterbringen
Dass dieses wertvolle Exemplar nun „nach Hause“ zurückkehrt, ist dem Zufall, wohlwollenden Menschen und dem Engagement der Jenaer Theologie zu verdanken. Im Reformationsjahr 2017 engagierte sich die Theologische Fakultät sehr, was sich herumsprach. Und sie erhielt von einer in Schottland lebenden Dame ein kostbares Geschenk. „Wir waren etwas überrascht, da sie keine erkennbare Beziehung zu unserer Fakultät hatte, haben uns aber umso mehr darüber gefreut“, sagt Dekanin Dahlgrün. „Doch ein solches Geschenk bedeutet auch eine große Verantwortung.“ Die Fakultät habe lange überlegt, wie sie das wertvolle Buch so unterbringen könne, dass es zugleich sichtbar und angemessen geschützt sei. „Doch schließlich mussten wir einsehen, dass uns die Möglichkeiten dazu fehlen. Um dieses Erbe aus der Zeit der Reformation zu erhalten, legen wir es in die Hände der hiesigen Universitäts- und Landesbibliothek, mit der es sich auch historisch verbindet.“
Intensive Provenienzforschung
Doch bevor er den Band, der Luthers deutschsprachige Werke der Jahre 1530 bis 1533 enthält, übernehmen konnte, begann für Joachim Ott eine andere Arbeit: die Erforschung der Herkunft. Mit Unterstützung von Fachkollegen in Gotha, Köln und Weimar gelang es ihm, den Band zuzuordnen. Er gehört zu einem ursprünglich mindestens achtbändigen Exemplar der Jenaer Lutherausgabe, das Weischner 1563 für Graf Johann Ernst von Mansfeld-Heldrungen band und das irgendwann später in die Pfarrbibliothek von St. Aposteln in Köln gelangte. Bislang bekannt waren aus der deutschen Reihe die Bände 1 bis 3, die sich heute in der Diözesan- und Dombibliothek Köln befinden, sowie die Bände 6 und 8, die in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar zu finden sind. „Es ist ein großer Glücksfall, dass nun also auch Band 5 zum Vorschein gekommen ist“, so Ott. Wie die beiden Bände in Weimar gehörte das Jenaer Exemplar zwischenzeitlich einem Kölner Zahnarzt, der es einem befreundeten Augenarzt spendierte. Zuletzt befand es sich im Besitz der schottischen Spenderin, die es der Theologischen Fakultät schenkte.
Rückkehr an den Geburtsort
Der wertvolle Lutherband ist also nach einer sehr wechselvollen Vorgeschichte an den Ort seiner Entstehung zurückgekehrt und steht künftig in der ThULB für die Forschung zur Verfügung. Auch wenn es dort bereits zwei Exemplare des betreffenden Lutherbandes gibt, zeigt sich Dr. Ott von diesem Exemplar begeistert, „da die schmuckvollen Einbände der Weischners zu ihrer Zeit überall hingegangen sind, nur nicht in ihre Heimatbibliothek in Jena, wo sie nur Routinearbeiten ausführten“. So füllt sich der Raum in der Bibliothek nun mit immer schöneren Exemplaren aus der Reformationszeit. Die Erstausgabe der Jenaer Lutherausgabe steht dort – leider nur fast komplett, da ein Band der Lateinischen Reihe fehlt. Die zweite Auflage, zu der das überreichte Exemplar gehört, ist bis auf zwei fehlende Bände in der ThULB vorhanden. „Sollte jemand die bislang noch verschollenen Bände 4 und 7 der deutschen Reihe aus dem Exemplar des Grafen von Mansfeld-Heldrungen besitzen und diese in sichere Obhut übergeben wollen, stehen wir gerne zur Verfügung“, sagt Joachim Ott – und meint dies ernster, als sein Gesichtsausdruck zeigt.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena (idw)