Superameisen erobern Europa
Archivmeldung vom 04.12.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakFür die heimischen Ameisenarten könnte es in Zukunft eng werden. Die "Lasius neglectus", eine aus Ungarn stammende Art, verbreitet sich in Europa und verdrängt damit die hier lebenden Kolonien. Bisher wurden die Tiere bereits an hundert verschiedenen Orten Europas gesichtet, so auch in Jena.
Die wissenschaftlich Lasius neglectus genannte
Ameisenart war 1990 in Ungarn entdeckt worden. Sie habe sich aus Arten am
Schwarzen Meer abgleitet, berichtet Sylvia Cremer von der Universität
Regensburg im US-Fachjournal „PLoS ONE“ (San Francisco). Mittlerweile seien
etliche weitere Ameisenpopulationen an mehr als 100 Stellen in verschiedenen
europäischen Ländern aufgetaucht. Sie wurden beispielsweise bei Paris und
Warschau gesehen. In Deutschland fand sich diese Ameisen zuerst vor acht
Jahren in Jena. Die Tiere bevorzugen laut Cremer Parks und Gärten und rotten
andere Ameisenkolonien aus.
Die Biologin vom Regensburger Institut für Zoologie hat mit Kollegen
untersucht, warum sich diese Ameisen erfolgreich an neue Lebensräume
anpassen und sich daher so schnell verbreiten.
„Sobald die invasive Gartenameise irgendwo neu hinkommt, kann sie sich gut
durchsetzen und die einheimische Fauna dominieren“, erklärt Cremer. „Es
sterben dann alle anderen Tiere in dem Bereich aus. Alle anderen Ameisen,
aber auch anderes Kleingetier wie Spinnen werden total verdrängt.“ Lasius
neglectus ähnele der Schwarzen Gartenameise, aber die Zahl der
umherlaufenden Tiere sei zehn bis 100 Mal größer.
Die Verbreitung der Ameisenkolonien quer über den Kontinent erfolgt nach
Erkenntnissen der Wissenschaftler beispielsweise durch Baumschulen, die bei
Gartenmessen ihre Produkte austauschen und so auch die Ameisen weitertragen.
Nach Schätzungen verursacht beispielsweise in den USA die dort zugewanderte
Rote Feuerameise jährlich Schäden von etwa 600 Millionen Euro. Bislang
hätten aber nur Menschen in wärmeren Gegenden mit solchen Schädlingen zu tun
gehabt, erklärt Cremer. Das Vorkommen von Lasius neglectus in Mittel- und
Südost-Europa sei daher ungewöhnlich.
Der Erfolg der neuen Ameisenart beruht laut Cremer auf der speziellen Sozialstruktur dieser Tiere. „Sie sind nicht wie die einheimischen Ameisen auf einen Paarungsflug angewiesen, sondern können sich gleich in ihrem Nest paaren.“ Heimische Ameisen paarten sich mit Tieren aus anderen Partnerkolonien, die invasive Gartenameise betreibe dagegen sozusagen Inzucht. „So können sie ganz viele neue Königinnen produzieren, ohne auf andere angewiesen zu sein."
Ein weiterer Unterschied ist laut Cremer, dass sich benachbarte Ameisennester nicht wie sonst gegenseitig bei der Nahrungssuche bekämpfen. Die eingeschleppten Ameisen kooperierten sogar. „Sie sind viel besser darin, Futter heranzuschleppen.“Wenn eine einheimische Ameise einen Brocken finde, müsse sie erst im eigenen Nest Hilfe holen, erläutert die Ameisenexpertin. „Das können dann sehr lange Wege sein.“ Die invasiven Gartenameisen würden sich dagegen einfach im nächstgelegenen Nest Transportkräfte besorgen. „Deswegen sind die unglaublich erfolgreich."
Die Forscher haben auch herausgefunden, dass die eingeschleppte Gartenameise in einer viel höheren Dichte auf engem Raum auftritt. „Wenn man sich einen Baum anschaut, laufen normalerweise vielleicht drei, vier, fünf Ameisen den Stamm rauf und runter“, erklärt Cremer. „Bei den invasiven Ameisen hat man dagegen ganze Straßen von Ameisen.“ Durch diese 10 bis 20 Zentimeter breiten Ameisenstraßen könnten auch die Laien die neuen Arten von den herkömmlichen hiesigen Ameisen unterscheiden.