"Verstimmte" Photonenerzeugung - Stuttgarter Physiker decken nicht-resonante Kopplung auf
Archivmeldung vom 24.11.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür künftige Anwendungen in der Quanten-Informationstechnologie wie etwa der abhörsicheren Datenübertragung werden verschlüsselte Nachrichten mit Hilfe von Lichtteilchen übertragen. Physiker der Universität Stuttgart deckten neue Effekte der nicht-resonanten Kopplung auf. Gearbeitet haben sie dabei mit winzigen Türmchen aus Halbleitermaterial, die an der Universität Würzburg erzeugt wurden. Die neuen Ergebnisse zu Quantenpunkten werden jetzt in der Zeitschrift Nature Photonics veröffentlicht.
Für künftige Anwendungen in der Quanten-Informationstechnologie wie
etwa der abhörsicheren Datenübertragung werden verschlüsselte
Nachrichten mit Hilfe von Lichtteilchen übertragen. Hierzu wird ein so
genannter Quantenemitter (eine Lichtquelle) in einem Resonator
energetisch angeregt, bis er einzelne Photonen (Lichtteilchen)
"abschießt". Nach bisherigen Modellen ging man davon aus, dass es zu
einer Wechselwirkung (Kopplung) von Quantenemitter und Resonator nur
dann kommen kann, wenn die Photonenenergie des Emitters und eine
Schwingungsmode des Resonator-feldes präzise übereinstimmen (Strikter
Resonanzfall). Physiker um Prof. Peter Michler vom Institut für
Halbleiteroptik und Funktionelle Grenzflächen der Universität Stuttgart
deckten nun neue Effekte der nicht-resonanten Kopplung auf, die über
dieses Modell hinausgehen. Gearbeitet haben sie dabei mit winzigen
Türmchen aus Halbleitermaterial, die an der Universität Würzburg
erzeugt wurden. Die neuen Ergebnisse zu Quantenpunkten werden jetzt in
der Zeitschrift Nature Photonics veröffentlicht.*)
Gut geeignet für die Herstellung zuverlässiger Quantenemitter sind
kristalline Halbleitermaterialen, da sich aus diesen künstliche
Quantenpunkte erzeugen lassen, deren spektralen Eigenschaften über
weite Bereiche des Spektrums abgestimmt werden können. In einem
weiteren Schritt ist es möglich, die Dynamik der spontanen
Photonenaussendungen gezielt zu manipulieren, indem ein Quantenpunkt in
einen miniaturisierten Resonator eingesetzt wird. Ein solches Werkzeug
stellen die Würzburger Halbleiter-Türmchen dar. Die Resonatoren mit
einem Durchmesser von nur ein bis zwei Mikrometern enthalten
Quantenpunkte, deren elektronische und optische Eigenschaften sich bei
der Herstellung maßschneidern und genau analysieren lassen. Die
winzigen Strukturen bestehen aus einer ausgeklügelten Abfolge von
Schichten aus den Halbleitern Aluminium-Arsenid und Gallium-Arsenid.
"Ihr spezieller Aufbau macht sie zu hochwertigen optischen Resonatoren,
die einzelne Photonen auf einer Skala der Lichtwellenlänge in allen
drei Raumdimensionen einschließen", sagt Stephan Reitzenstein vom
Lehrstuhl für Technische Physik der Uni Würzburg.
Anhand dieser Strukturen entdeckten die Stuttgarter Physiker einen
Effekt der nicht-resontanen Kopplung, der die bisherigen Vorstellungen
des strikten Resonanzfalls sprengt. Durch systematische
spektroskopische Untersuchungen konnten sie aufzeigen, dass gekoppelte
Quantenpunkt-Mikroresonator-Systeme insbesondere auch dann Photonen
aussenden, wenn Quantenpunkt und Resonator stark gegeneinander
verstimmt sind, also mit unterschiedlichen Frequenzen schwingen.
"Dieser zunächst unterwartete Effekt weist auf eine ausgeprägte
Licht-Materie-Wechselwirkung in derartigen Festkörpersystemen hin und
wird folglich wesentliche Auswirkungen auf das Design und die
Funktionalität zukünftiger Quantenemitter auf Quantenpunktbasis haben",
so der Leiter der Stuttgarter Forschungsgruppe, Prof. Peter Michler.
Grundlegender Beitrag zum Verständnis des Ursprungs der nicht-resonanten Kopplung
Ein wesentlicher treibender Prozess der nicht-resonanten Kopplung
scheint der Effekt der so genannten reinen Dephasierung (des
Kohärenzverlusts des Systems ohne Aussendung eines Photons) speziell
über Wechselwirkung mit quantisierten Gitterschwingungen zu sein. Somit
sind die aktuellen Untersuchungen ein wichtiger Beitrag, um die den
nach wie vor nicht vollständig aufgeklärten und in der Fachliteratur
diskutierten Ursprung der nicht-resonanten Kopplung grundlegend zu
verstehen.
Darüber hinaus kann die nicht-resonante Kopplung in der Forschung in
neuartiger und sehr gezielter Weise angewendet werden. So zeigen
zahlreiche Emissionsmessungen an resonant angeregten
Einzel-Quantenpunkten, dass der Emissionskanal der gekoppelten und
verstimmten Mode auch als direkter "Monitor" der
Emissionscharakteristika des Quantenpunktes dienen kann. Auf diese
Weise lassen sich beispielsweise elektronische Feinstrukturen, die
Absorptionssättigung des Grundzustandes oder auch die untergrundfreie
Messung der Photonenstatistik in Emission beobachten. "Die indirekte
Beobachtung dieser Charakteristika durch Kopplung an die
Resonanzemission des Grundzustands bietet ein sehr mächtiges Werkzeug
für weitergehende Untersuchungen an derartigen Quantensystemen", so
Michler.
Quelle: Universität Stuttgart