Zufallsfund vor Galapagos
Archivmeldung vom 20.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWährend einer Expedition vor der Küste Südamerikas hat ein internationales Meeresforscher-Team entdeckt, dass Ethan- und Propanvorkommen tief unter dem Meeresboden weit verbreitet sind und dass Mikroorganismen bei der Entstehung dieser energiereichen Gas eine Schlüsselrolle spielen.
Das Team unter Leitung von Prof. Kai-Uwe Hinrichs beschreibt die neuen Erkenntnisse in einem Artikel, der in dieser Woche in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften (PNAS) erscheint. Die in dem angesehenen Wissenschaftsmagazin veröffentlichten Befunde weisen auf bislang ungeahnte Stoffkreisläufe und Stoffwechselprozesse in der sog. tiefen Biospähre hin.
"Eigentlich war es ein Zufallsfund", sagt Prof. Hinrichs. An Bord des Expeditionsschiffs "JOIDES Resolution" untersuchte der Bremer Geochemiker Ablagerungen, die südlich der Galapagos-Inseln und vor der Küste Perus bis zu 400 Meter tief im Meeresboden erbohrt worden waren. "Wir hatten so viel Probenmaterial zu bearbeiten, dass sich die Probengläschen mit den bis zu 40 Millionen Jahre alten Meeresablagerungen schnell türmten, denn an fast Tausend Proben wollten wir Gasgehalte bestimmen." Trotz der bis zu 14-stündigen Schichten konnten viele Proben erst deutlich später als geplant gemessen werden. - Zum Glück! "Denn in vielen der schon etwas `älteren` Proben bemerkten wir ungewöhnlich hohe Konzentrationen an Ethan und Propan", berichtet der Bremer Meeresforscher. Bald wurde klar, dass die Gase während der Wartezeit aus den Sedimenten entwichen sein mussten.
Die Wissenschaftler begannen sich zu fragen, welche Prozesse tief im Meeresboden für die erhöhten Gaskonzentrationen verantwortlich sind. Normalerweise entstehen Ethan und Propan, wenn sich dort Erdöl und Erdgase bilden - unter erhöhten Temperaturen und Drücken und ohne dass Mikroorganismen direkt beteiligt sind. In dem Artikel, der jetzt in PNAS erscheint, kann das Forscherteam aber zeigen, dass bei der Entstehung der energiereichen Gase im Untersuchungsgebiet Druck und Temperatur nicht die Ausschlag gebenden Faktoren sind. Mikroorganismen spielen hier die Schlüsselrolle!
"Meeresablagerungen enthalten organisches Material - die
Überreste der im Ozean lebenden Pflanzen und Tiere", erklärt Prof. Hinrichs.
Dieses Material stellt eine wichtige Lebensgrundlage für das mikrobielle Leben
in der tiefen Biosphäre dar. Bei den dort ablaufenden Recyclingprozessen
entsteht auch Acetat. Bakterien wandeln dieses Salz der Essigsäure um: "Sie
nutzen das im Sediment vorhandenen Wasserstoff, um Ethan zu produzieren sowie
Wasserstoff und anorganischen Kohlenstoff, um Acetat in Propan
umzuwandeln."
Für die Richtigkeit dieser Annahme führt das Forscherteam mehrere Indizien ins Feld: "Ethan- und Propan führende Erdöl- oder Erdgaslagerstätten sind weit entfernt, kommen als Quelle also nicht in Betracht", sagt Prof. Hinrichs "Zudem unterscheidet sich die Zusammensetzung der stabilen Kohlenstoffisotope unserer Gasproben deutlich von den Isotopenwerten, die wir bei Ethan und Propan in Öl- und Gasvorkommen finden", führt Co-Autor John Hayes, Geochemiker an der amerikanischenWoods Hole Oceanographic Institution, aus. "Außerdem konnte unser Team zeigen, dass bei den Recyclingprozessen in der Tiefe ausreichend Energie für das Wachstum bakterieller Lebensgemeinschaften abfällt", ergänzt Prof. Wolfgang Bach, Mitautor am Bremer Forschungszentrum.
Die jetzt veröffentlichte Arbeit wirft etliche, zukunftsweisende Fragen auf: In einer Doktorarbeit, die derzeit am Bremer Forschungszentrum entsteht, wird untersucht, ob die Ethan- und Propanmoleküle im Meeresboden möglicherweise zwischen geschichteten Tonmineralen eingelagert sind. - Zudem stehen weitere Versuche in den Labors des Bremer Forschungszentrums an: "Unser vordringliches Ziel muss es sein, die im Meeresboden ablaufenden bakteriellen Prozesse unter kontrollierten Bedingungen nachzuvollziehen, um die Richtigkeit der geochemischen Prozesse, die wir im PNAS-Artikel postulieren, zu untermauern", sagt Prof. Hinrichs. Im Labor sind die tief im Meeresboden ablaufenden Vorgänge nur schwer zu simulieren. Sollte dies jedoch gelingen, hat der Bremer Geochemiker schon einen Plan in der Hinterhand: "Dann sollten wir schauen, ob es uns gelingt, die Ausbeute des Energieträgers Propan mit Hilfe der Bakterien zu erhöhen. Derzeit ist das natürlich noch Zukunftsmusik."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.