Wer laut hören will, könnte es später fühlen
Archivmeldung vom 17.03.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFreizeitlärm aus dem Kopfhörer: Wer den Lautstärkeregler von mp3-Player oder Smartphone aufdreht, um Hintergrundgeräusche zu übertönen, riskiert Hörschäden. Forscher der Universität Münster haben in einer Studie nun Anzeichen dafür gefunden, dass durch die lauten Geräusche Nervenzellen geschädigt werden – im normalen Hörtest zeigt sich das zwar nicht, Messungen der magnetischen Gehirnaktivität deuten aber darauf hin.
Ein Team um Dr. Hidehiko Okamoto und Dr. Henning Teismann untersuchte am Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Medizinischen Fakultät zwei Gruppen junger Erwachsener im Alter von rund 24 Jahren. Die Hälfte der 26 Studienteilnehmer hörte in der Freizeit regelmäßig mit Kopfhörern Musik, die andere Hälfte nicht. In klassischen klinischen Untersuchungen, Hör- und Sprachtests, schnitten die Gruppen gleich und normal ab. Unterschiede zeigten sich erst unter der Haube, genauer: im Magnetoenzephalographen (MEG).
„Mit dem MEG kann die Aktivität der Hirnrinde gemessen werden“, erläutert Teismann. „Man kann sich das Gerät wie eine überdimensionale Trockenhaube vorstellen. Aktive Nervenzellen senden schwache magnetische Signale aus, die mit dem MEG gemessen werden.“ Den Teilnehmern wurden unter der Haube Töne vorgespielt. Zunächst schauten die Probanden dabei entspannt einen Stummfilm-Clip, dann wurden sie im zweiten Teil des Experiments aufgefordert, sich auf die Töne zu konzentrieren. Unterschiede in der Nerven-Aktivität zwischen den Probanden-Gruppen zeigten sich nur, während die Versuchsteilnehmer durch das Video abgelenkt waren.
„Wir haben es mit subtilen Effekten zu tun“, kommentiert Teismann:
„Offenbar leidet das Vermögen des Gehirns, akustische Signale aus
Hintergrundrauschen heraus zu filtern. Wir vermuten, dass dieses Defizit
mittel- bis langfristig nicht mehr durch verstärkte Aufmerksamkeit
kompensiert werden kann – das könnte dann zur Entstehung von
Hörbeeinträchtigungen, Geräuschüberempfindlichkeit und Tinnitus
beitragen.“ Langfristige Erfahrungen fehlen allerdings noch, doch in den
letzten Jahren haben sich mp3-Spieler und Handys mit Kopfhörerbuchse
stark verbreitet – Freizeitlärm im Hosentaschenformat liefern etwa
Smartphones gleich mit. Das verführt zu einem Dauerkonsum, der für das
Gehör gefährlich werden könnte. Die Quittung folgt nicht unbedingt auf
dem Fuße, aber das Gehör vergisst nie.
Wenn es im Hintergrund laut ist, etwa in Bus und Bahn, drehen viele
Menschen die Lautstärke hoch. Dadurch sind Musik und Sprache aus den
Kopfhörern zwar besser zu hören, die Geräusch-Belastung steigt aber
massiv. „Wir möchten für die Gefahren sensibilisieren“, sagt Teismann.
Doch Verzicht sei nicht unbedingt nötig, um sich vor Schäden zu
schützen: „Das Wichtigste ist, das man die Lautstärke nicht zu sehr
aufdreht. Darüber hinaus sind heute moderne Kopf- und Ohrhörer mit
Antischall-Technologie auf dem Markt. Störende Hintergrund-Geräusche
werden durch gegenpolige Frequenzen, die dem Audio-Signal automatisch
beigemischt werden, ausgelöscht.“ Der Nutzer kann die Musik nun bei
niedrigerer Lautstärke genießen, da Störgeräusche nicht übertönt werden
müssen. Wer sich für klassische Kopfhörer entscheidet, die auf den
Ohrmuscheln aufliegen oder sie vollständig umschließen, sollte zu
geschlossenen Bauformen greifen. Störgeräusche werden dann mechanisch
wirksam passiv gedämpft – und auch für die Mitmenschen sinkt die
Geräuschbelastung.
Quelle: Westfaelische Wilhelms-Universität Münster