"Vaterschaftstest für Pharao" und Kopflaus lösen archäologische Rätsel
Archivmeldung vom 13.11.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakFragen der Menschheitsgeschichte, wo beispielsweise der Homo erectus und der Homo sapiens Körperkontakt hatten, wie sich die Menschen über die Erde ausbreiteten, und ob wir Verwandte unter den ausgestorbenen Neandertalern besitzen, erzählt uns eine tote Kopflaus.
Geschichtsforschung ist voller Rätsel: Gibt es noch Nachfahren der Dinosaurier? Wo entwickelten sich die ersten Menschen und wie verbreitete sich der Mensch über die Erde? Sind Neandertaler und moderner Mensch verwandt? Bei der Beantwortung einiger Fragen kann jetzt die Genforschung helfen, wie der 1965 geborene Archäologe und Wissenschaftsjournalist Dirk Husemann in seinem spannenden Report erklärt. Verwandt mit vor 68 Millionen Jahren ausgestorbenen Tyrannosaurus rex zum Beispiel, dem größten Landraubtier aller Zeiten, sind die heutigen Hühner.
Husemann beginnt das Buch mit einer kurzen Einführung in die Genforschung und ihre Möglichkeiten. Dabei räumt er mit Vorurteilen ebenso auf wie mit überholten Geschichtsbildern. Durch Gentests konnten zum Beispiel Verwandtschaftsbeziehungen der Pharaonen entwirrt werden, wie Husemann darlegt. Unter anderem konnte durch einen Blick auf die Erbinformationen geklärt werden, dass die Mumie der einzigen Frau auf dem altägyptischen Thron nicht verschwunden war, wie allgemein angenommen wurde. Die Überreste von Hatschepsut hatten vielmehr unbeachtet auf dem Boden einer Grabkammer gelegen, bis ein mitleidiger Archäologe sie in einen einfachen Holzsarg legte.
Bei der Frage nach der Verbreitung des Menschen brachten Genforscher die Kopflaus als Kronzeuge "zum Sprechen". Seit etwa fünf Millionen Jahren treibt die Laus auf den Häuptern von Hominiden ihr Unwesen, wie Husemann belegt. Ihre Gene geben Aufschluss darüber, wann sie vom Menschen in eine neue Umgebung getragen wurde. Und sie scheint auch auszuplaudern, dass sich Homo sapiens und Homo erectus, die nacheinander Afrika verließen, in Asien noch einmal begegneten – und dabei Körperkontakt hatten.
Vor etwa 72 000 Jahren entwickelten sich dann Kopf- und Kleiderlaus auseinander– ein Indiz dafür, dass die frühen Menschen damals schon einige Zeit nicht mehr nackt herumliefen. Die Filzlaus schließlich, die vom Affen auf den Menschen wanderte, scheint zu beweisen, dass sich Mensch und Gorilla einst die Lagerstätten teilten – wahrscheinlich aber nacheinander und nicht gleichzeitig. Auch Neandertaler und moderner Mensch müssen sich nach Überzeugung der Genforscher begegnet sein. Doch bisher hat kein Test eine Spur des Neandertalers im modernen Menschen gefunden.
Schnell wird deutlich, dass der Untertitel des Buches – "Wie Genforschung archäologische Rätsel entschlüsselt" – eine optimistische Formulierung ist. Nach so mancher Lösung durch die Genforschung erscheint gleich eine neue Frage. Wessen Schädel etwa wird im Mozarteum in Salzburg als Überrest von Wolfgang Amadeus Mozart ausgegeben? Und wem gehören die Locken, die einmal den Kopf des genialen Komponisten geschmückt haben sollen? Zu dem unter einer Glasglocke ausgestellten Schädel gehören sie jedenfalls nicht. Und die drei Leichen im angeblichen Familiengrab der Mozarts, in dem Vater, Großmutter und Nichte des Komponisten bestattet sein sollen, sind weder miteinander noch mit dem früheren Besitzer des Schädels im Mozarteum verwandt.