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Methanfresser in der arktischen Tiefsee entdeckt

Archivmeldung vom 20.10.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.10.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Abb. 2: Das neue Konsortium bestehend aus Archaea (grün) und Bakterien (rot). Die Organismen wurden mit einer speziellen Färbetechnik (FISH) sichtbar gemacht. Bild: T. Lösekann, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie
Abb. 2: Das neue Konsortium bestehend aus Archaea (grün) und Bakterien (rot). Die Organismen wurden mit einer speziellen Färbetechnik (FISH) sichtbar gemacht. Bild: T. Lösekann, Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Statt Lava fließen Schlamm und Methan aus dem Tiefsee-Schlammvulkan Haakon-Mosby. Das Treibhausgas Methan wirkt rund 25 Mal stärker als Kohlendioxid, wenn es in die Atmosphäre gelangt. Zum Glück gibt es Mikroorganismen, die von Methan leben und so den Ausstoß des Klimagases reduzieren.

Abb. 1: Im Zentrum des Schlammvulkans strömt das meiste Gas aus (links). In der mittleren Zone siedeln Beggiatoa (Mitte). In der äußeren Zone leben Röhrenwürmer (rechts). Bild: IFREMER
Abb. 1: Im Zentrum des Schlammvulkans strömt das meiste Gas aus (links). In der mittleren Zone siedeln Beggiatoa (Mitte). In der äußeren Zone leben Röhrenwürmer (rechts). Bild: IFREMER
Abb. 3: Der Tauchroboter VICTOR 6000 kurz vor dem Einsatz. Bild: IFREMER
Abb. 3: Der Tauchroboter VICTOR 6000 kurz vor dem Einsatz. Bild: IFREMER

Erstmals hat jetzt ein deutsch-französisches Forscherteam nachgewiesen, dass solche Methanzehrer auch in der eiskalten arktischen Tiefsee vorkommen. Die Wissenschaftler entdeckten eine neue Gruppe Methan fressender Archaea und Bakterien und beschreiben in der Zeitschrift Nature, welche Umweltfaktoren die Aktivität dieser Mikroorganismen kontrollieren - mit verblüffendem Ergebnis: Zu schnelle Strömungen aus dem Meeresboden verringern die Wirksamkeit des natürlichen Gasfilters um bis zu 60 Prozent (Nature, 19. Oktober 2006).

Der nach dem norwegischen Ozeanographen Haakon Mosby benannte gleichnamige Schlammvulkan wurde 1990 von einem internationalen Forscherteam in der Barentssee in einer Wassertiefe von 1250 Metern entdeckt. Aus dem Zentrum des etwa einen Quadratkilometer großen Vulkans strömt neben Wasser und Schlamm auch Gas, das zu 99 Prozent aus Methan besteht und aus rund zwei Kilometer Tiefe unterhalb des Meeresbodens aufsteigt. Helge Niemann und Tina Lösekann vom Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie in Bremen haben in ihren Doktorarbeiten untersucht, ob an der Oberfläche des Schlammvulkans in der -1 Grad Celsius kalten Tiefsee Mikroorganismen vorkommen, die das gefährliche Klimagas Methan verbrauchen.

Leben am Schlammvulkan
Haakon Mosby ist ein sehr flacher Schlammvulkan, der maximal zehn Meter über den Meeresboden herausragt. Die Wissenschaftler aus Deutschland und Frankreich unterscheiden drei stark von einander abgegrenzte, konzentrische ringförmige Zonen: das Zentrum, mittlerer und äußerer Ring. Eine Gemeinsamkeit haben die drei ansonsten völlig unterschiedlich besiedelten Zonen: Methan ist jeweils die Hauptnahrungsquelle der dort lebenden Mikroorganismen. An der Oberfläche des Zentrums entdeckten die Wissenschaftler bisher unbekannte Bakterien, die das Methan mit Sauerstoff umsetzen. In den etwas tieferen Schichten der mittleren Zone aber fanden Helge Niemann und Tina Lösekann große Mengen einer neuen Gruppe von Archaea, die in einer Symbiose mit Bakterien das Methan mit Sulfat veratmen - ohne dafür Sauerstoff zu benötigen. Der zugrunde liegende Prozess ist unter dem Begriff anaerobe Oxidation von Methan (AOM) bekannt und wird im Forschungsprojekt MUMM untersucht.

Zur Verblüffung der Forscher wird der Großteil des Methans nicht im Zentrum, sondern im äußeren Ring des Vulkans veratmet. Hier steigen die gashaltigen Fluide deutlich langsamer auf.

Methan-Filter nur zu 40 Prozent effektiv
Bei ihren Messungen fanden die Forscher heraus, dass am Haakon Mosby nur rund 40 Prozent des austretenden Methans von Mikroorganismen umgesetzt werden. An manchen Methanquellen im Ozean wird dagegen das gesamte austretende Gas veratmet. Bisher war man davon ausgegangen, dass in Gebieten mit hohem Durchfluss an Methan auch deutlich mehr Methan fressende Mikroorganismen leben.

Bei Haakon Mosby ist offensichtlich das Gegenteil der Fall: Das meiste Gas wird in der äußersten Vulkanzone verbraucht. Der Bremer Meeresbiologe Helge Niemann erklärt das so: "Die Mikroorganismen brauchen Sauerstoff oder Sulfat aus dem Meerwasser, um Methan veratmen zu können. Das aus dem Boden nach oben strömende Wasser enthält aber weder Sauerstoff noch Sulfat. Weil es so schnell nach oben strömt, kann nur wenig Sauerstoff oder Sulfat aus dem Meerwasser in den Boden eindringen. Die Mikroorganismen im Zentrum und der mittleren Zone erhalten also schlicht kaum Energie zum Leben."

In der äußeren Zone des Vulkans ist die Situation anders. Röhrenwürmer, die bis zu 60 Zentimeter tief in den Boden wachsen, pumpen aktiv das Meerwasser und damit auch Sulfat in tiefere Bodenschichten. Die an ihren Wurzeln lebenden Organismen können dank dieser lebenden Pumpen auch dort Methan umsetzen, wo es normalerweise kaum möglich wäre. Dort wurde auch der höchste Methanumsatz gefunden und es entweicht fast kein Gas ins Meer. Das zeigt, dass wirksame biologische Filter für Treibhausgase erst durch das komplexe Zusammenspiel von Lebensgemeinschaften im Meeresboden entstehen können.

Unterstützung bekamen Helge Niemann und Tina Lösekann von einem deutsch-französischen Forscherteam, das den Vulkan mit Sonar- und Kamerasystemen genau kartierte und die chemischen Umsatzprozesse bestimmte. Entscheidend war der Einsatz des ferngesteuerten Tauchroboters VICTOR 6000 vom französischen Forschungszentrum IFREMER auf zwei Expeditionen mit dem Forschungsschiff L’ATALANTE (IFREMER) und der FS POLARSTERN des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven.

Aussichten
Erstmals konnten im Rahmen des Projektes GEOTECHNOLOGIEN Stoffflüsse und mikrobielle Umsatzprozesse an einem aktiven Tiefsee-Schlammvulkan genau vermessen und modelliert werden. Jetzt muss die Wirksamkeit biologischer Filter auch bei anderen Methanquellen im Meer geprüft werden. Bisher ist diese für die weltweite Klimaforschung wichtige Größe nicht ausreichend berücksichtigt.

Als nächstes untersucht das deutsch-französische Forscherteam im Oktober und November 2006 mit dem Tiefseeroboter QUEST des Bremer Forschungsinstituts MARUM die Schlammvulkane des östlichen Mittelmeeres (METEOR Expedition 70/2). Weitere Expeditionen zum Haakon-Mosby-Schlammvulkan sind im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes HERMES vorgesehen.

Beteiligte Institutionen
Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie, 28359 Bremen, Germany
Alfred-Wegener-Institut für Polar und Meeresforschung,
27515 Bremerhaven, Germany
DFG Forschungszentrum Ozeanränder, University of Bremen, 28334 Bremen,
Germany
Centre Ifremer de Brest, BP70, 29280 Plouzane, France
UMR 7156 Université Louis-Pasteur/CNRS, Département Microorganismes, Génomes, Environnement, 67083 Strasbourg Cedex, France
International University Bremen, 28759 Bremen, Germany

Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

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