Forscher drehen an der Zeit
Archivmeldung vom 25.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine internationale Kollaboration von Wissenschaftlern misst erstmals die Erdrotation nahezu in Echtzeit. Indem die Forscher ihre Teleskope weltweit vernetzen, können sie dadurch die Abweichung von der Standardzeit beobachten und korrigieren.
Die Erde rotiert jedes Jahr langsamer. Die Gezeiten bremsen
beispielsweise unseren Planeten pro Tag etwas ab. Dadurch entsteht ein Konflikt
zwischen zwei Versionen der Zeit: der astronomischen Zeit UT1, die auf der
Erdrotation basiert, und der physikalischen Atomzeit, die durch Cäsium-Atomuhren
auf der Erde bestimmt wird.
Wissenschaftler helfen der Weltzeit
nach
Um beide Zeitversionen zu koordinieren, wurde die
Weltstandardzeit UTC eingeführt. Sie vereint beide Zeitangaben und gibt seit
1956 einheitlich an, wie spät es ist. Damit die zwei Zeitversionen aber nicht
immer weiter auseinander laufen, wird seit 1972 die Weltstandardzeit alle paar
Jahre um eine Sekunde nach vorne gedreht, damit sie annähernd der astronomischen
Zeit entspricht - das ist die so genannte Schaltsekunde. Wann diese
Schaltsekunde fällig ist, hängt also von der Erdrotation ab, die deshalb genau
gemessen werden muss, sonst endet der Unterschied im Zeitchaos. Eine
internationale Kollaboration von Forschern aus Deutschland, Japan und Norwegen
misst nun mit Radioteleskopen die Erdrotation auf etwa drei Millimeter genau und
bestimmt so fast in Echtzeit, wie sehr sich beide Zeitversionen unterscheiden.
Die Wissenschaftler vom Institut für Geodäsie und Geoinformation der
Universität Bonn, sowie vom Max-Planck Institut für Radioastronomie (MPIfR) und
dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie können in Kollaboration mit
japanischen und norwegischen Forschern weltumspannend beobachten, wie sich die
Erdrotation verändert. So bestimmen die Forscher relativ schnell, wie sehr sich
die Zeitdefinitionen unterscheiden.
Früher wurden zehn Tage
gestrichen
Das war in Vergangenheit ganz anders. "Bei der
Gregorianischen Kalenderreform im Jahr 1582 sind ganze zehn Tage auf einmal
verschwunden. Damals folgte auf Donnerstag, den 4. Oktober gleich Freitag, der
15. Oktober", sagt Axel Nothnagel von der Universität Bonn, Leiter Projekts und
der Forschungsgruppe: "Heute erreichen wir bereits die Genauigkeit von
Schaltsekunden, die alle paar Jahre zur Korrektur der Tageslänge eingeführt
werden."
Um so genau messen zu können, beobachten drei verschiedene
Radioteleskope in Deutschland, Norwegen und Japan gleichzeitig etwa eine Stunde
lang den Himmel. Die Daten strömen dann durch Glasfaser-Kabel zum
Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und legen dabei über 17 000
Kilometer zurück. Die verschickte Datenmenge entspricht dabei 13
vollbeschriebenen DVD´s pro Teleskop für jeweils eine halbe Stunde Messzeit. "Es
mag im ersten Moment wenig erscheinen, aber jede Woche erreichen uns online über
50 Gigabyte von den drei Teleskopstationen", sagt Walter Alef, Wissenschaftler
in der Forschungsgruppe Radiointerferometrie, die von Anton Zensus am MPIfR
geleitet wird.
UT1 wird jede Woche neu bestimmt
Die jeweils
aktuellen Messungen werden weltweit weiter verwertet. Deshalb sind sie extra für
alle wichtigen wissenschaftlichen und kommerziellen Institutionen auf einen
Webserver in Paris zugänglich. Das Experiment wird ab jetzt stetig Daten
liefern, sodass der International VLBI Service for Geodesy & Astrometry
(IVS) regelmäßig die Erdrotation bestimmen kann - bereits wenige Stunden nachdem
die Teleskope den Himmel betrachtet haben.
"Mit dieser nun wöchentlich neuen
Beobachtung leisten wir einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag zur
weltweiten Bestimmung von UT1", so Arno Müskens von der Universität Bonn.
Quelle: Pressemitteilung Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.