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Sprachverlust nach Schlaganfall: Hirnforscher entdecken neue Möglichkeiten des Spracherwerbs

Archivmeldung vom 13.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de
Bild: Dieter Schütz / pixelio.de

Jedes Jahr erleiden rund 200.000 Menschen in Deutschland einen Schlagfanfall. Knapp ein Viertel der Betroffenen behält schwerwiegende Sprachstörungen zurück. Wie es gelingen könnte, Patienten beim Wiedererlernen der Sprache zu unterstützen, fanden jetzt Wissenschaftler um Dr. med. Friedhelm Hummel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Bereich Neurologie, heraus. Sie zeigten, dass man auch durch Hirnstimulation von nicht klassischen Spracharealen, wie z.B. dem motorischen Kortex, Spracherwerb entscheidend beeinflussen kann.

Grundlage dieser Entdeckung war die Erkenntnis, dass Sprachfunktionen nicht nur in den klassisch identifizierten Spracharealen – dem Sprachzentrum – organisiert sind. Vielmehr erkannten die Neurologen, dass auch andere Hirnregionen an Sprachprozessen beteiligt sind. So stellte sich heraus, dass etwa der motorische Kortex nicht nur Bewegungen kontrolliert, sondern auch am Verarbeiten und Erlernen von bestimmten Sprachaspekten beteiligt ist. Das bedeutet konkret: Liest oder hört man ein bewegungsassoziiertes Verb wie treten oder rennen oder erlernt es, wird neben dem Sprachzentrum auch das motorische Beinareal aktiviert.

Inwiefern der motorische Kortex beim (Wieder-)Erlernen von Sprache beteiligt, untersuchten die Wissenschaftler, indem sie 63 Probanden einem Sprachlernparadigma unterzogen. Bei diesem "Sprachspiel" sollten die Testpersonen innerhalb von vier Trainingseinheiten die Verknüpfung von ‚Fantasiewörtern’ (z.B. ‚sigu’) mit der Bedeutung von Bildern aus dem Bereich Bewegung (z.B. ein Bild von einer Person die tritt) erlernen und einprägen. Dabei wurde bei einem Teil der Probanden der motorische Kortex der linken Gehirnhälfte mittels nicht-invasiver Hirnstimulation gehemmt. Das Ergebnis: Die Testpersonen, bei denen der motorische Kortex gestört wurde, erlernten die Bedeutung der Fantasiewörter deutlich schlechter als diejenigen ohne Hirnstimulation. So konnte erstmals unter Beweis gestellt werden, dass neben den klassischen Spracharealen auch der motorische Kortex am Spracherwerb beteiligt ist. Dies führt die Wissenschaftler zu der vielversprechenden Hypothese, dass aktivierende Beeinflussung des motorischen Kortex durch Hirnstimulation auch Sprach(wieder)erwerb erheblich fördern könnte. Ob Sprachtherapien nach einem Schlaganfall oder Fremdsprachenlernen im Alter unterstützt durch Hirnstimulation– die Studienergebnisse bieten die Chance, bestehende Konzepte des Spracherwerbs weiter zu optimieren und innovative interventionelle Strategien zu entwickeln. Denkbar wäre beispielsweise nach Schlaganfällen, die klassische Sprachareale zerstörten, die Verbindung zwischen motorischen und sprachlichen Arealen durch Hirnstimulation zu fördern und damit Rehabilitationsmaßnahmen zum Wiedererwerb von Sprache zu unterstützen. Auf diese Weise könnten Sprachdefizite schneller beseitigt und damit die Lebensqualität von Patienten erheblich verbessert werden.

Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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