Ursuppenirrtum: Leben kam nicht aus dem Meer - Vulkane bildeten Lebensbausteine
Archivmeldung vom 17.10.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakStanley Lloyd Miller sorgte mit seinem Ursuppen-Experiment 1953 für Aufsehen. Die Zustände der Ur-Ozeane hatte Miller damals in einem Glaskolben simuliert. Elf Originalproben des im Jahr 2007 verstorbenen Chemikers wurden nun von Wissenschaftlern der Universität Indiana erneut untersucht.
Es war ein genial einfaches Experiment: 1953 stellte der 23-jährige Chemiestudent Stanley Lloyd Miller an der University of Chicago die Verhältnisse der unwirtlichen Urerde nach. Durch elektrische Energie ließ er Aminosäuren entstehen, die Bausteine der Eiweiße. Der Versuch eines Studenten zeigte den Wissenschaftlern der damaligen Zeit den ersten Schritt zur Entstehung von Leben auf der Erde.
Die Zeitungen überschlugen sich, als das Experiment am 15. Mai 1953 durch die Veröffentlichung im Journal „Science“ bekannt wurde. Die Begeisterung ging weit über akademische Kreise hinaus. Besonders faszinierend wirkten die elektrischen Blitze, unter deren Einfluss die biochemischen Substanzen in der Ursuppe entstanden waren. Die Öffentlichkeit konstruierte daraus eine Verbindung zwischen Strom und Leben. Ein Motiv, das es auch schon zuvor bei Mary Shelleys Frankenstein gab. Die Ursuppe fand – außer in die Lehrbücher – schnell Eingang in Comic-Strips, Filme, Geschichten und Romane. Miller starb 2007 im Alter von 77 Jahren.
Auf Millers Spuren
Nun haben Wissenschaftler um Adam Johnson von der Universität Indiana die Originalproben von damals noch einmal untersucht. „Wir waren der Meinung, dass wir noch mehr von dem Originalexperiment von Miller lernen können“, sagt Jeffrey Bada von der Universität San Diego, der einst mit Miller zusammenarbeitete.
In einem Glaskolben hatte Miller damals das brodelnd heiße Wasser der Urozeane simuliert. Dazu erhitzte er Wasser und ließ den Wasserdampf durch seine Versuchsanordnung zirkulieren. In einem zweiten Kolben, der mit Wasserstoff, Ammoniak, Methan und Wasserdampf gefüllt war, ahmten zwei Elektroden die Gewitter der Uratmosphäre nach. Sie dienten als Initialzündung für die Reaktion der Gase mit dem Wasserdampf.
Unbeachtete, aber entscheidende Varianten des Versuchs
In einer U-förmigen „Falle“ sammelte Miller die Reaktionsprodukte: kondensierten Teer (85 Prozent), Carbonsäuren (13 Prozent) und neun Aminosäuren, Glycin (1,05 Prozent), Alanin (0,85 Prozent) sowie in Spuren Glutamin- und Asparaginsäure, Valin, Leucin, Serin, Prolin und Threonin. Später gelang es Miller, durch die Variation der Ausgangsstoffe auch Zucker und Adenin herzustellen, ein Bestandteil des Erbmoleküls DNA.
Was kaum jemanden bekannt ist: Miller führte das Experiment in drei unterschiedlichen Versuchsanordnungen durch. In einer variierte er die elektrischen Entladungen, die die Blitze simulieren sollten. Bei der dritten simulierte er eine Atmosphäre mit viel Wasserdampf bei einem Vulkanausbruch. Den Wasserdampf ließ er durch ein sich verengendes Glasrohr in den Kolben strömen. So beschleunigte er die Zirkulation des Dampfs. Als Ergebnis fand Miller in diesem Experiment fünf bekannte sowie einige ihm unbekannte Aminosäuren.
Neue Ergebnisse dank moderner Analyse
Bei der erneuten Analyse von elf der Originalproben fanden die Forscher heraus, dass in der dritten Versuchsanordnung 22 Aminosäuren entstanden waren, von denen Miller zehn nicht entdeckt hatte. In den anderen Versuchsanordnungen entdeckten die Forscher eine geringere Ausbeute. Johnson berichtet: „Viele von diesen anderen Aminosäuren besitzen Hydroxylgruppen. Das bedeutetet, sie waren sehr reaktiv und hätten mit der Zeit auch neue Moleküle gebildet.“