DIN und RAL widerlegen Fraunhofer-Studie über Mikroplastik auf Kunstrasenplätze
Archivmeldung vom 22.07.2019
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Freigeschaltet durch André OttKunstrasenplätze ermöglichen vielen Fußballern in Deutschland einen ganzjährigen Spielbetrieb. Sie sind robust, brauchen kein Wasser und keinen Dünger. Sie sind wasserdurchlässig, versiegeln keine Flächen und lassen keine Schadstoffe wie Nitrate in den Boden.
Im Sommer werden sie nicht wegen Trockenheit gesperrt, im Winter bleiben sie auch nahezu durchgängig bespielbar. Trotzdem sind sie in der Diskussion, weil auf EU-Ebene über ein Verbot des Gummi-Granulats nachgedacht wird, dass auf den Plätzen ausgebracht wird, um optimale Spieleigenschaften zu ermöglichen.
Es geht um ein mögliches Verbot des Granulats, nicht des Kunstrasens
Nicht der Kunstrasen ist im Visier der Europäischen Chemie-Agentur ECHA, sondern jene kleinen Gummistücke, die als Granulat auf dem Platz ausgebracht werden. Von den ca. 5.000 Plätzen in Deutschland sind ungefähr 3.500 damit verfüllt. Es fällt aufgrund seiner Größe per Definition in die Rubrik Mikroplastik. Dabei besteht modernes Granulat bis zu 70 Prozent aus Naturstoffen wie Hanf und Kreide und zu 30 Prozent aus Gummi. Der Plastikanteil ist also deutlich geringer als zum Beispiel bei einem Schnuller. Es erfüllt die Spielzeugnorm und stellt keinerlei Gefahr für die Gesundheit dar.
Die ECHA befragt momentan europaweit alle Branchen und Interessenvertreter, die mit Mikroplastik arbeiten, z.B. auch die Kosmetikindustrie, deren Kunststoffe in den Produkten auf direkten Weg in die Kanalisation wandern. Das ist beim Gummi-Granulat auf Sportplätzen nicht der Fall.
Falls es zu einem Verbot des Granulats durch die EU kommen sollte, kann man den Kunstrasenplatz mit Sand und Kork verfüllen. Beides geschieht bereits, hat aber in Sachen Lebensdauer, Komfort und Pflege Nachteile. An weiteren, besseren Alternativen wird bereits gearbeitet.
DIN und RAL kommen auf ein Zehntel des Fraunhofer-Wertes
Maßgeblicher Auslöser der Diskussion um den Kunstrasenplatz war eine Fraunhofer-Studie. Lange hat das Institut darauf bestanden, dass jährlich ca. 11.000 Tonnen Gummigranulat von Kunstrasenplätzen abgetragen werden und in die Umwelt gelangen. Bereits seit Anfang des Jahres liegen Fraunhofer neue Zahlen vor, die die Realität wiedergeben. Jetzt kommen auch immer mehr Experten zu dem Schluss, dass die Zahlen des Instituts nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen können, zum Beispiel das Deutsche Institut für Normung DIN und die Gütegemeinschaft RAL (http://ots.de/rwbXdx).
Ihren fundierten Berechnungen zu Folge beträgt der Austrag ca. zehn Prozent des von Fraunhofer in die Welt gesetzten Wertes. Jetzt tritt das Institut den Rückzug an. Man sei von einem Worst-Case-Szenario ausgegangen und man habe für das Thema sensibilisieren wollen. Bis Ende August will das Institut neue Zahlen vorlegen. "Das Ziel sei aber, wegzukommen von Worst-Case-Szenarien hin zu realen Szenarien. Etwas realistischer dürfte dafür schon eine neue Fraunhofer-Studie mit aktualisierten Zahlen sein. Die Tendenz sei, dass diese weniger alarmierend ausfalle" so das Institut in einer Stellungnahme gegenüber dem Tagesspiegel.
Doch warum lässt Fraunhofer erst jetzt seine Bereitschaft erkennen, sich mit den neuen Zahlen zu beschäftigen, obwohl das Institut sie seit März vorliegen hat?
Studie als Auslöser für Verunsicherung
In vielen Medienberichten wird sich auf die von Fraunhofer publizierten Zahlen berufen. Sie sorgen bei Behörden, Vereinen, Kommunen und Platzeigentümern für Verunsicherung gesorgt. Es ist erfreulich, dass sich die Wissenschaftler von Fraunhofer jetzt mit den fundierten Zahlen beschäftigen. Sicherlich haben die Gutachten von fachkundiger, neutraler Stelle wie zum Beispiel der DIN, die sich seit den 90er Jahren mit dem Thema beschäftigt, ihren Teil dazu beigetragen.
Noch ein paar Fakten: Im Schnitt werden auf einem mit Granulat verfüllten Platz in Deutschland jährlich etwa 200 bis 350 Kilogramm Granulat nachgefüllt. Es gibt ca. 3.500 mit Granulat verfüllte Plätze in Deutschland. So kommt man auf einen Wert von ca. 1.000 Tonnen Nachfüll-Granulat für alle Plätze in Deutschland, da tatsächlich nur im Bedarfsfall nachgefüllt wird. Lege man die Fraunhofer-Zahlen zugrunde, müssten auf jedem Platz ca. drei Tonnen nachgefüllt werden. Das ist weit jenseits der Realität.
Das ausgetragene Granulat gelangt zudem nur zu einem sehr kleinen Teil in die Umwelt. Meistens bleibt es auf dem Platzgelände, wird aufgefegt und entsorgt oder wiederverwendet. Moderne Rückhaltesysteme wie spezielle Rinnen oder bodennahe Banden können es sogar fast vollständig einfangen und filtern.
EU-Entscheidung ist offen
Das drohende Verbot von Gummigranulat auf Kunstrasenplätzen durch die EU ist längst nicht beschlossen. Nach der Befragung durch die ECHA geht der Vorschlag in die EU-Gremien. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass es mindestens eine Übergangslösung gibt, bestehende Plätze also über einen mehrjährigen Zeitraum Bestandsschutz haben. Das Gummigranulat auf Kunstrasenplätzen ist nur ein Teil des großen Pakets, zu dem die ECHA im vierten Quartal eine Empfehlung aussprechen wird.
Quelle: Polytan GmbH (ots)