Wissenschaftler lüften das Geheimnis des "Süßwasser-Geschmacks"
Archivmeldung vom 25.04.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWasser schmeckt süß, wenn es Hemmstoffe wegspült, die die Süßgeschmacks-Rezeptoren im Mund blockieren. Paradoxerweise zählen auch die Süßstoffe Saccharin und Azesulfam K zu diesen Hemmstoffen. Dies fand jetzt ein deutsch-amerikanisches Wissenschaftlerteam heraus, zu dem auch Forscher des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) gehören.
Die am 23. April in der Fachzeitschrift Nature online publizierten Studienergebnisse könnten für die Entwicklung neuer Zuckeraustauschstoffe hilfreich sein oder dazu beitragen, bekannte Süßstoffe wirksamer einzusetzen.
In geringen Konzentrationen schmecken Saccharin und Azesulfam K sehr süß. Bei
hohen Dosen nimmt ihr Süßgeschmack jedoch stark ab und ein bitterer
Nachgeschmack entsteht. Spült man den Mund dann mit Wasser aus, so kehrt sich
das Geschmacksempfinden wieder um und man nimmt einen sehr intensiven, süßen
"Wasser-Geschmack" wahr.
Bereits im vorletzten Jahr konnten
DIfE-Wissenschaftler um Professor Wolfgang Meyerhof zeigen, dass beide Süßstoffe
bestimmte Bittergeschmacks-Rezeptoren aktivieren und somit einen bitteren
Nachgeschmack verursachen können*. Nun fanden die Forscher auch eine Erklärung
für das Phänomen des "Süßwasser-Geschmacks". Saccharin und Azesulfam K können
Süßgeschmacks-Rezeptoren aktivieren aber auch hemmen. Doch wie ist dies möglich?
Die vorliegenden Studienergebnisse liefern Beweise für das Vorhandensein von
zwei unterschiedlichen Saccharin-Bindungsstellen am Rezeptormolekül, mit dem der
Rezeptor, vereinfacht ausgedrückt, "an-" oder "ausgeschaltet" werden kann. An
die erste Bindungsstelle, die den Rezeptor "anschaltet", bindet Saccharin
bereits in geringen Konzentrationen sehr leicht. Ist der Rezeptor
"angeschaltet", nehmen wir einen süßen Geschmack wahr. Wenn die
Süßstoffkonzentration steigt, das heißt sehr viele Saccharinmoleküle vorhanden
sind, besetzen sie auch die zweite Bindungsstelle. Diese Bindung ändert nun die
räumliche Anordnung des Rezeptors, und "schaltet ihn aus" - der Süßgeschmack
verschwindet. Spült man die meisten Süßstoffmoleküle wieder mit Wasser weg,
bleiben nur noch die an der ersten Bindungsstelle relativ fest gebundenen übrig.
Der Rezeptor ist somit wieder "angeschaltet" und wir haben den Eindruck Wasser
schmeckt "süß".
"Auch andere Substanzen wie Magnesiumsulfat oder
Laktisol, die selbst nicht süß schmecken aber zu den Süßgeschmacks-Blockern
zählen, verleihen nach einem ähnlichen Prinzip Wasser einen süßen Geschmack." so
Geschmacksforscher Dr. Bernd Bufe vom DIfE "Es wäre daher denkbar, anhand des
Süßwassergeschmacks weitere Substanzen zu identifizieren, die die
Süßgeschmacks-Rezeptoren hemmen. Neue Hemmstoffe könnten beispielsweise für die
Lebensmittelindustrie interessant sein."
Galindo-Cuspinera V, Winnig M,
Bufe B, Meyerhof W, Breslin PAS. A TAS1R receptor-based explanation of sweet
'water-taste'. Nature 2006 Epub ahead of print.
Hintergrundinformation:
Laktisol ist ein
geschmacks-modifizierender Stoff, den die Firma Domino Sugar verkauft. Bereits
in sehr geringen Konzentrationen (100-150 ppm) kann Laktisol die Wahrnehmung des
Süßgeschmacks unterdrücken. Lebensmittelhersteller nutzen Laktisol bei der
Herstellung von beispielsweise Marmeladen oder Gelee, die große Mengen Zucker
enthalten, um den fruchtigen Geschmack dieser Produkte zu verstärken. Chemisch
gesehen handelt es sich bei Laktisol um das Natriumsalz der
2-(4-methoxyphenoxy)-Propionsäure. In den USA ist Laktisol als sicherer
Geschmacksverbesserer anerkannt.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.