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Forscher weisen spontane Ablesevorgänge bei DNA nach

Archivmeldung vom 21.06.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Die Abbildung zeigt eine DNA-Doppelhelix, die durch den Einbau von zuvor chemisch aktivierten Desoxynukleotiden wächst. Bild: Institut für Organische Chemie, Uni Stuttgart
Die Abbildung zeigt eine DNA-Doppelhelix, die durch den Einbau von zuvor chemisch aktivierten Desoxynukleotiden wächst. Bild: Institut für Organische Chemie, Uni Stuttgart

In der Natur wird die in den Genen gespeicherte Erbinformation mit Hilfe von Enzymen abgelesen. Nun ist der Nachweis gelungen, dass dieser Vorgang unter bestimmten Umständen auch ohne Enzyme effizient stattfinden kann. Bisher hatte man geglaubt, dass spontane, rein chemische Ablesevorgänge nur bei sehr wenigen Sequenzen ablaufen können, und zwar nur, wenn diese eine besonders hohe Bindungsfähigkeit für die einzelnen Bausteine der DNA haben.

Dr. Eric Kervio und Prof. Clemens Richert vom Institut für Organische Chemie der Universität Stuttgart konnten in Zusammenarbeit mit Annette Hochgesand vom Karlsruher Institut für Technologie und Prof. Ulrich Steiner von der Universität Konstanz zeigen, dass solche spontanen molekularen Ablesungsvorgänge für zahlreiche mögliche Sequenzen mit großer Effizienz ablaufen. Über ihre Forschung berichtet jetzt die online-Version der Zeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences USA. *) Die Nutzung der Ergebnisse ist für die Entwicklung von preiswerten Sequenzierungsverfahren zur Diagnose von genetischen Veränderungen in der DNA von Patienten denkbar.

Die beiden Stränge der DNA-Doppelhelix, aus der die Gene bestehen, sind durch Basenpaare miteinander verbunden. Dabei paaren jeweils die Kernbasen Adenin (A) und Thymin (T) sowie Guanin (C) und Cytosin (C). Die G-C-Basenpaare sind sehr viel stärker als die A-T-Basenpaare. Zudem beeinflussen die benachbarten Kernbasen die Bindungsstärke. Wenn zum Beispiel A von zwei weiteren A-Nach¬barn umgeben ist, wird das komplementäre T kaum noch gebunden. Von den 64 möglichen Kombinationen aus Kernbase und den beiden Nachbarbasen galten deshalb viele als aussichtslos für die spontane, enzymfreie Ablesung. Das Wissenschaftlerteam wies nun aber nach, dass solche molekularen Ablesungs¬vorgänge für jede Abfolge von drei Kernbasen mit großer Effizienz ablaufen. Eine geringe Erniedrigung der Temperatur auf 10 Grad Celsius und eine leicht zu induzierende chemische Aktivierung der Bausteine genügt, damit innerhalb von wenigen Stunden ein spontaner Einbau ohne Enzyme erfolgt. Die Unterschiede in der Reaktionsgeschwindigkeit zwischen den am besten bindenden Sequenz¬motiven und denen, die die Basen nur scheinbar schwach binden, sind kleiner als ein Faktor von 100.

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen die ganz besondere Eignung der DNA für ihre Rolle als genetisches Material. „Die Hürden für einen spontanen Einbau von einzelnen Nukleotiden sind – wie die Messungen nahe legen – niedriger, als man zuvor hätte annehmen können. Damit geraten spontane Ablese-Vorgänge also nicht so leicht an besonders schlecht bindenden Bereichen ins Stocken“, erklärt Prof. Clemens Richert. Die von dem Forscherteam durchgeführten Messungen beziehen sich auf Einzelschritte, und es besteht aufgrund der notwendigen chemischen Aktivierung nicht die Gefahr, dass von alleine neue Gene entstehen. Trotzdem eröffnen die erhaltenen Messdaten neue Szenarien für eine mögliche Entstehung des Lebens aus einfachen, rein chemischen Ausgangsmaterialien. Gegenwärtig werden deshalb auch Messungen an der RNA (die eng verwandt mit der DNA ist) durchgeführt, der eine ganz besondere Rolle in der präbiotischen Chemie der frühen Erde zugesprochen werden, weil sie auch katalytisch aktiv sein kann. Weiterhin helfen die nun erhaltenen Ergebnisse möglicherweise bei der Entwicklung von preiswerten Sequenzierungsverfahren zur Diagnose von genetischen Veränderungen in der DNA von Patienten.

Quelle: Universität Stuttgart

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