Lärmschluckende Fenster
Archivmeldung vom 07.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFlugzeuglärm, Verkehrsgetöse und Discobässe rauben Anwohnern oft den letzten Nerv. Ein Schallschutzfenster wirkt solchen Geräuschen nun erstmals aktiv entgegen - und sorgt so für mehr Ruhe in Wohnzimmern und Büros.
Alle fünf Minuten donnert ein Flugzeug über das Haus hinweg - die Bewohner
verstehen in dieser Zeit kaum noch ihr eigenes Wort. Fenster bieten bislang
nicht allzu viel Schutz gegen solches Getöse. Doppel- oder Dreifachverglasungen
schlucken zwar hohe Töne. Um tiefe Frequenzen wie Flugzeuglärm oder Bässe aus
der Disco abzuhalten, müssten die Scheiben allerdings sehr dick und schwer sein,
was im modernen Leichtbau und an großen Fassaden problematisch
ist.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und
Systemzuverlässigkeit LBF und der Technischen Universität Darmstadt bringen nun
etwas mehr Ruhe in Häuser und Büroräume - mit neuartigen Lärmschutzfenstern.
"Das Fenster kann Testsignale im Frequenzbereich zwischen 50 und 1000 Hz um
durchschnittlich sechs Dezibel verringern - der Ton ist hinter dem Fenster nur
noch halb so laut", sagt Dr. Thilo Bein, der das Geschäftsfeld Energie, Umwelt
und Gesundheit am LBF leitet. "Die Lautstärke einzelner Testsignale kann sogar
um bis zu 15 Dezibel reduziert werden." Was das Motorengetöse von
Passagierflugzeugen angeht, erwarten die Experten zukünftig eine Lärmreduktion
unterhalb 1000 Hz von bis zu 10 dB.
Trifft Schall auf eine Fassade, kann
er auf verschiedene Weisen in die Räume dringen: Zum einen lässt er das Fenster
schwingen, diese Schwingung überträgt die Geräusche in das Gebäude. Zum anderen
läuft der Schall über die Punkte, an denen die Fassade aufgehängt ist, ins
Innere des Hauses. Auf beiden Wegen haben die Forscher Hindernisse für den
Schall eingebaut. Bei den Fenstern klebt auf dem Glas ein kleiner
Beschleunigungssensor, der die Schwingung der Scheibe misst. Ein dünnes
Piezoplättchen, das ebenfalls auf dem Fenster befestigt ist, gleicht die
gemessene Schwingung aus: Es erzeugt eine Schwingung in der gleichen Tonlage,
die der des Schalls genau entgegengesetzt ist - es bewegt die Scheibe also in
die entgegen gesetzte Richtung. "Bei den Aufhängepunkten der Fassade haben wir
eine ähnliche Lösung gefunden, bei der statt des dünnen Piezostreifens ein
ganzer Stapel von Piezoplättchen der Kraft entgegen wirkt", sagt
Bein.
Einen Prototypen des Lärmschutzfensters stellen die Forscher auf der Hannover-Messe vom 16. bis 20. April vor (Halle 2, Stand D24/1). In einem weiteren Schritt verkleinern die Forscher nun die Steuer- und Leistungselektronik der Piezoplättchen, die momentan noch aus unhandlichen Laborgeräten besteht. In etwa vier Jahren, hofft Bein, könnte das Lärmschutzfenster auf dem Markt erhältlich sein.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.