Radio hören trotz Elektroantrieb
Archivmeldung vom 02.04.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.04.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUm den Radioempfang in E-Autos zu ermöglichen, müssen Hersteller Filter einbauen, Kabel abschirmen und viele weitere kostenintensive Maßnahmen ergreifen. Der Grund: Elektrische Störsignale überlagern Musik und Sprechbeiträge. Mit neuen Berechnungsverfahren sorgen Forscher für ungetrübten Hörgenuss und helfen, Kosten zu senken.
Radio hören zählt zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen. Mehr als 60 Millionen schalten das Gerät täglich an, vor allem beim Autofahren geht der Griff zum Einschaltknopf. Studien zufolge will jeder Zweite hinter dem Steuer nicht auf Hörfunkangebote verzichten. Doch im Fahrzeug der Zukunft, dem Elektroauto, ist Radio hören im Prinzip nicht möglich, da elektrische Störeffekte den Empfang von Radiowellen behindern. Verursacht werden die Störungen durch Frequenzumrichter, die elektrische in mechanische Energie umwandeln, um die Drehrichtung und Drehzahl von Elektromotoren zu steuern. Die Umrichter schalten den Strom und die Spannung extrem schnell und häufig an und aus. Sie zerhacken die elektrische Energie in Bruchteilen einer Sekunde und erzeugen so elektromagnetische Störsignale. Werden diese zu laut, hört man zwar das Antriebssystem, nicht aber das Autoradio.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, müssen nicht nur die Motorzuleitungen abgeschirmt, sondern auch der Motor selbst isoliert werden. Für die Automobilhersteller ist dies mit enormen Kosten verbunden. Wie sich diese erheblich senken lassen, wissen die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin. Dr. Eckart Hoene, Leiter der Forschungsgruppe »Power Electronic Systems« und sein Team haben ein ganzes Bündel an Werkzeugen und Methoden entwickelt, um die Störungen zu minimieren. Durch neue Simulationen und Berechnungsverfahren können die Ingenieure beispielsweise ermitteln, bei welcher Platzierung im Fahrzeug sich Bauteile hinsichtlich ihrer elektromagnetischen Verträglichkeit am wenigsten gegenseitig beeinflussen.
Lage der Bauteile beeinflusst Störsignale
»Eine große Rolle spielt die Größe und Lage der einzelnen Komponenten. Dazu gehören etwa der Elektromotor, die Batterie, der elektrische Klimakompressor, das Ladegerät, der DC/DC-Wandler und der Umrichter selbst. Ebenso entscheidend ist die Richtung und Form, in der Kabel verlegt sind und wie dicht die Schirmung geflochten ist. Mithilfe unserer Simulationen können wir auch Empfehlungen zur Qualität der Isolations- und Steckerelemente aussprechen«, erklärt Hoene. Durch Messverfahren grenzen die Wissenschaftler zudem präzise ein, wo im Fahrzeug Störungen entstehen und wie diese sich ausbreiten. Darüber hinaus haben die Wissenschaftler ein symmetrisches Leistungsmodul entwickelt, das verhindert, dass Störungen abstrahlen. Es ist Bestandteil des Umrichters und liegt bereits als Prototyp vor.
Vom Know-how der Experten profitieren alle deutschen Automobilhersteller. »Wir beraten nicht nur die deutschen Autoproduzenten und Zulieferer, sondern zunehmend auch japanische und amerikanische Firmen«, sagt Hoene. Tests und Fehleranalysen können im institutseigenen Labor erfolgen.
Doch elektromagnetische Störungen kommen nicht nur in Elektro- und Hybridantrieben vor, sondern überall dort, wo Leistungselektronik eingesetzt wird – etwa in der Bordelektronik von Flugzeugen, in Windkraft- und Solaranlagen. »Auf Dächern mit Photovoltaikanlagen wandeln Solarumrichter Gleichstrom in Wechselstrom um, was den Radioempfang im Haus beeinträchtigen kann«, erläutert Hoene. Auch in diesen Anwendungsfällen stehen Hoene und seine Kollegen Unternehmen mit ihrer Expertise beratend zur Seite und helfen, die Störpegelgrenzwerte einzuhalten.
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft (idw)