Gießener Forscher auf der Spur von Medikamenten in Abwässern
Archivmeldung vom 21.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittRund 3000 verschiedene Arzneimittelwirkstoffe gibt es in der EU. Davon werden einzelne Gruppen allein in Deutschland in Mengen bis zu mehreren Tonnen pro Jahr verabreicht. Die Patienten scheiden diese Wirkstoffe zum Teil unverändert aus. Sie gelangen mit dem Abwasser zur Kläranlage, wo sie größtenteils nur unzureichend entfernt werden.
So dringen sie in Oberflächengewässer ein und können auch den Weg ins
Grundwasser finden. Ebenso erreichen z. B. Reinigungsmittel und ihre
Zusatzstoffe Oberflächen- und Grundwässer. Auch im Trinkwasser werden Spuren
dieser Chemikalien gefunden. Über das Ausmaß schädlicher Auswirkungen für Mensch
und Natur ist bislang noch wenig bekannt.
Zurzeit laufen Bestrebungen,
die Kontamination unserer Umwelt bereits an der Quelle, d. h. bei der Produktion
und Verbreitung dieser Chemikalien, zu minimieren. Dieser so genannte
"Produktionsintegrierte Umweltschutz" ist jedoch bei Medikamenten nicht einfach
möglich. Es läßt sich nicht verhindern, dass ein mehr oder weniger großer Teil
der in Arzneimitteln enthaltenen Wirkstoffe den menschlichen Körper wieder
verlässt. Voruntersuchungen der Universität Gießen haben am Beispiel des
Antiepileptikums Carbamazepin gezeigt, dass sich ca. 8 Prozent des
verschriebenen Medikamentes im Abwasser wiederfinden.
Da konventionelle
Kläranlagen kaum in der Lage sind, diese nur im Spurenbereich (Nanogramm)
vorhandenen umweltschädlichen Verbindungen zurückzuhalten, müssen neue
Abwasserreinigungsverfahren entwickelt werden. Im Rahmen des vom BMBF
geförderten dreijährigen Forschungsprojekts soll deshalb vergleichend untersucht
werden, inwieweit innovative Reinigungsmethoden in der Lage sind, Arzneimittel
und andere Spurenstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Hierbei soll neben
kommunalem auch Abwasser von Krankenhäusern berücksichtigt werden. Besonders
schwierig ist der Nachweis dieser Substanzen im Spurenbereich, da sie noch in
einer Konzentration von nur wenigen Nanogramm pro Liter nachgewiesen werden
müssen. Dieser Gehalt entspricht ungefähr der Zuckerkonzentration, die entstehen
würde, wenn man ein Stück Würfelzucker (2,7 g) in einer mittelgroßen Talsperre
(2,7 Milliarden Liter Wasser) auflöste. Hochschuldozent Dr. Rolf-Alexander
Düring bringt deshalb seine langjährige Erfahrung in der Spurenanalytik in das
Projekt ein. Prof. Dr. Markus Röhricht übernimmt die verfahrenstechnische
Optimierung der Reinigungsanlagen und die Koordination des Vorhabens.
Die
neuen Verfahren könnten als zusätzliche Reinigungsstufe hinter die schon
bestehenden Kläranlagen geschaltet werden. Die technischen Entwicklungen leisten
drei spezialisierte kleine und mittelständische Unternehmen: die Weise Water
Systems GmbH & Co KG (Membranbelebungsverfahren und Nanofiltration), die EMW
filtertechnik GmbH (trägerfixierte Biomasse) und die UVitt GmbH
(UV-Oxidation).
Ziel ist es nicht nur, die Verfahren zum Rückhalt von
Arzneimitteln und anderer Alltagschemikalien zu entwickeln, sondern auch, die
zusätzlichen Kosten pro Kubikmeter Abwasser möglichst gering zu halten.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt dieses Vorhaben mit rund 600.000 Euro. Die Leitung hat Prof. Dr. Markus Röhricht vom Labor für Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung der FH. Er kooperiert dabei mit Privatdozent Dr. Rolf-Alexander Düring vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der JLU Gießen. An dem Forschungsprojekt beteiligen sich auch Unternehmen aus Langgöns, Diez und Heppenheim.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.