Was der Käferfuß verspricht, das hält er
Archivmeldung vom 24.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittForscher des Stuttgarter Max-Planck-Instituts für Metallforschung entwickeln zusammen mit der Gottlieb Binder GmbH in Holzgerlingen neuartiges Haftmaterial nach dem Vorbild von Insektenfußsohlen.
Mikrohärchen mit Pilzkopf sind das Geheimnis eines neuen Haftmaterials, das
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Metallforschung in Stuttgart
entwickelt haben. Die spezielle Oberflächenstruktur ist von Käferfußsohlen
inspiriert, also biomimetisch, und lässt das Material an glatten Wänden
kleberfrei haften. Potenziellen Anwendungen reichen von wieder verwendbarem
Klebeband bis hin zu Schuhsohlen für Kletterroboter und sind somit von großer
technologischer Relevanz (Journal of the Royal Society Interface, 17. Oktober
2006).
Jetzt sind die Wissenschaftler bei der Nachahmung des biologischen
Haftmechanismus einen großen Schritt weiter gekommen. Sie entwickelten ein
Material, dessen biomimetische Mikrostruktur exzellente Hafteigenschaften
bewirkt. Die Entwicklung der künstlichen Strukturen basierte auf der
Untersuchung der Fußsohlen mehrerer Käferarten. Deren besonders starke Haftkraft
beruht auf speziell geformten Härchen, die an winzige Pilze erinnern.
In
den strengen Prüfungen, die Max-Planck-Forscher mit speziell für diesen Zweck
entwickelten Messinstrumenten vornahmen, überzeugte das künstliche Haftsystem
mit vielen Vorzügen. So hält es hunderte Anwendungen nacheinander durch,
hinterlässt keine sichtbaren Spuren und regeniert sich vollständig von
Verschmutzungen, wenn man es mit Seife wäscht. Die Forscher ermittelten, dass
fünf Quadratzentimeter des Materials an Wänden mit glatten Oberflächen bis zu
hundert Gramm schwere Gegenstände halten; an der Decke allerdings erheblich
weniger. Glas oder poliertes Holz eignen sich gut als Unterlage, also glatte
Strukturen - hingegen ist die Raufasertapete nicht gerade das Lieblingsterrain
des Materials. "Aber Insekten haben auch Schwierigkeiten an Oberflächen mit
feiner Rauigkeit zu laufen, dies ist ein grundsätzliches Problem des
Haftmechanismus", erklärt der Projektleiter Stanislav Gorb (vgl.
MPG-Presseinformation [5]).
Bei der Herstellung dient - wie beim
Kuchenbacken - eine Form als Vorlage, in die gleichsam als Negativbild die
gewünschte Oberfläche eingeprägt ist. Man füllt ein polymerisierendes Gemisch
hinein, lässt es aushärten und trennt anschließend den Kunststoff von der
Vorlage. Was hier so einfach klingt, war Ergebnis "langen Rumprobierens". Der
Bau der Mikrostruktur-"Kuchenform" forderte die Forscher dabei am meistern
heraus - wie das genau funktioniert, bleibt Betriebsgeheimnis. Aber auch die
Optimierung der Polymer-Mischung brachte die Wissenschaftler ins Schwitzen; ist
sie zu flüssig, fließt sie einfach aus der Form raus, ist sie zu viskos, gelangt
sie gar nicht erst hinein.
Die potenzielle Verwendung erstreckt sich von
einer Schutzfolie für empfindliche Gläser bis zu wieder benutzbaren
Klebunterlagen - Kühlschrankmagnete ade, jetzt kommen die Mikrohärchen, die
allerdings auch an Spiegel, Schrank und Scheibe haften. In industriellen
Produktionsprozessen findet man das neue Material beispielsweise bald bei der
Fertigung von Glas-Bauteilen. Darüber hinaus bewies es seine Leistungsfähigkeit
auch schon in höheren Gewichtsklassen: Ein 120 Gramm schwerer Roboter konnte mit
den künstlichen Haftfasern an der Fußsohle eine senkrechte Glaswand ersteigen
(Daltorio et al. 2005).
In ihrer aktuellen Forschung versuchen
die Wissenschaftler die Haftung durch Verfeinerung der Strukturen noch zu
verbessern. "Da hat die Arbeitsgruppe aber noch jede Menge Arbeit vor sich, denn
was im Labor klappt, lässt sich noch lange nicht auf die großtechnischen
Produktion übertragen", erläutert Stanislav Gorb.
[AJ]
Quelle: Pressemitteilung Max Planck-Institut für Metallforschung