Revolution in der Energietechnik
Archivmeldung vom 27.09.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDresdner Physiker entwickeln widerstandsfreie Stromleitungen aus spröder Keramik. Bernhard Holzapfel und Ludwig Schultz vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden bezwingen die Tücken des spröden Materials und erhalten den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft.
Der diesjährige Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche
Wissenschaft in der Kategorie "Gesellschaft braucht Wissenschaft" geht an Dr.
Bernhard Holzapfel und Prof. Ludwig Schultz vom Leibniz-Institut für Festkörper-
und Werkstoffforschung in Dresden. Das entschied eine hochrangig besetzte Jury
unter Leitung von Prof. Dr. Treusch, Vorstandsvorsitzender des
Forschungszentrums Jülich, kürzlich in Berlin. Die beiden Wissenschaftler werden
für ihre grundlagen- und anwendungsbezogenen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet
der Hochtemperatur-supraleiter (HTSL) ausgezeichnet. Die Arbeiten der beiden
Physiker machen zum Beispiel widerstandsfreie Stromleitungen möglich. Die
Preisverleihung findet auf der Jahrestagung der Leibniz-Gemeinschaft am 23.
November 2006 in Berlin statt.
Das Phänomen Supraleitung, also vollkommen
verlustfreier Stromtransport, fasziniert seit der Entdeckung der ersten
Supraleiter im Jahre 1911 Wissenschaftler und Laien gleichermaßen. Als vor genau
20 Jahren die Entdeckung der Hochtemperatur-supraleitung in oxidischen Keramiken
durch den Deutschen Georg Bednorz und den Schweizer Alex Müller bekannt wurde,
führte dies schnell zu euphorischen Anwendungsvisionen in Elektronik,
Messtechnik und Energietechnik. Die damals einsetzende und intensiv öffentlich
geförderte grundlagen- und anwendungs-orientierte Forschung zeigte in den
folgenden Jahren aber sehr deutlich, dass ein harter Weg von der Entdeckung des
Phänomens bis zum Verständnis und zur technologischen Anwendung dieser
Materialklasse zu überwinden ist. Für Anwendungen in der Energietechnik werden
Kilometer lange Drähte und Kabel mit hoher Stromtragfähigkeit benötigt. Das ist
für die Materialklasse der Hochtemperatur-supraleiter (HTSL) eine
materialwissenschaftliche Herausforderung ersten Ranges. Zum einen lassen sich
die spröden Keramiken nicht - wie zum Beispiel metallisches Kupfer - durch
einfache mechanische Verformung zu langen Drähten ziehen. Zum anderen zeigte
sich, dass eine hohe Stromtragfähigkeit der Hochtemperatur-supraleiter nur in
weitgehend einkristallinen Bereichen möglich ist.
Es mussten also völlig
neuartige Technologien entwickelt werden, die die Herstellung kilometerlanger,
nahezu einkristalliner Drähte erlauben. Darüber hinaus müssen derartige
Herstellungstechniken kostengünstig und skalierbar sein, um den
Verdrängungswettbewerb mit dem konventionellen Leitermaterial Kupfer erfolgreich
bestehen zu können. "Aufgrund der von Bernhard Holzapfel und Ludwig Schultz
gemeinsam durchgeführten wegbereitenden Grundlagenarbeiten für die erfolgreiche
Realisierung von HTSL-Bandleitern hat die Materialforschung auf diesem Gebiet
nunmehr einen Stand erreicht, der eine umfassende technologische Anwendung im
Bereich der Energietechnik realisierbar erscheinen lässt", heißt es in der
Begründung der Jury. Durch ihre von Beginn an interdisziplinäre Herangehensweise
konnten Dr. Bernhard Holzapfel und Prof. Ludwig Schultz entscheidende Beiträge
erarbeiten, die nunmehr die Basis für die technologische Realisierung von
Hochtemperatur-supraleiterkabeln bilden und aktuell von mehreren Firmen genutzt
werden. Stromkabel auf HTSL-Basis, die verlustfrei Strom leiten, könnten eines
Tages zur Entschärfung der sich abzeichnenden Energiekrise beitragen. Der zu
erwartende praktische Nutzen der Arbeiten ist mit ein
Preiskriterium.
Seit 1990 arbeiten Dr. Bernhard Holzapfel und Prof. Ludwig Schultz, erst bei der Siemens AG und dann am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden, gemeinsam erfolgreich auf dem Gebiet der Hochtemperatursupraleitung. -Mit dem Wissenschaftspreis des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in der Kategorie "Gesellschaft braucht Wissenschaft" werden Weg weisende wissenschaftliche Arbeiten gewürdigt, die einen praktischen Nutzen in Wirtschaft, Politik, Gesellschaft oder Forschung erwarten lassen und von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mindestens eines Leibniz-Instituts maßgeblich durchgeführt wurden. Die Jury besteht aus zehn stimmberechtigten Mitgliedern aus Wissenschaft und öffentlichem Leben.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.