Gitter aus magnetischen Wirbeln
Archivmeldung vom 06.08.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPhysiker der Universitäten in Hamburg und Kiel und des Forschungszentrums Jülich haben erstmals ein regelmäßiges Gitter aus magnetischen Skyrmionen – wirbelförmigen Spinstrukturen von außergewöhnlicher Stabilität – auf einer Oberfläche gefunden. Diese faszinierende magnetische Struktur wurde an der Universität Hamburg mithilfe der spinpolarisierten Rastertunnelmikroskopie experimentell entdeckt und auf der atomaren Skala sichtbar gemacht. Theoretiker der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Forschungszentrums Jülich konnten diesen magnetischen Zustand und seine mikroskopische Ursache mit Hilfe von quantenmechanischen Rechnungen auf Supercomputern erklären.
Wie die Fachzeitschrift „Nature Physics“ in der Online-Ausgabe vom 31.
Juli 2011 berichtet, entdeckten die Forscher die magnetischen Wirbel,
die jeweils aus ungefähr 15 Atomen bestehen, in einer atomaren Schicht
Eisen auf der Oberfläche eines Iridiumkristalls. Diese Entdeckung könnte
neue Impulse für den Bereich der Spintronik geben.
Vor ungefähr 50 Jahren fand der theoretische Physiker Tony Skyrme zu
seiner Überraschung in quantenmechanischen Feldtheorien stabile und
lokalisierte Konfigurationen, die miteinander wechselwirken und sich wie
Atome auf einem Gitter anordnen können. Aufgrund dieser Eigenschaften
identifizierte er diese wirbelartigen Lösungen als elementare Teilchen.
Diese nach ihrem Entdecker benannten Skyrmionen zeigten sich später in
vielen unterschiedlichen Gebieten der Physik und entwickelten sich so zu
einem wichtigen Konzept. Das mögliche Auftreten von Skyrmionen in
magnetischen Materialien wurde bereits vor 20 Jahren vorhergesagt und in
Volumenmaterialien auch schon experimentell bestätigt.
Das in Hamburg entdeckte magnetische Skyrmionengitter tritt in einem
atomar dünnen Film auf einer Oberfläche auf. Der Durchmesser der Wirbel
beträgt nur wenige Atome und ist damit um mindestens eine Größenordnung
kleiner als die bisher bekannten magnetischen Skyrmionen. Wie so oft
spielte auch bei dieser Entdeckung der Zufall eine große Rolle. „Es ist
zwar bekannt, dass Eisen unter Umständen auch ungewöhnliche magnetische
Strukturen bilden kann, aber als wir die nahezu quadratische magnetische
Struktur im Nanometer-Bereich gefunden haben, die sich eigentlich nicht
mit der hexagonalen Anordnung der Eisenatome verträgt, war die
Überraschung groß“ sagt Dr. Kirsten von Bergmann aus der experimentellen
Hamburger Forschungsgruppe von Prof. Roland Wiesendanger. Den
Doktoranden Matthias Menzel fasziniert die Tatsache, „dass man durch
geschicktes Variieren der Versuchsanordnung die Messergebnisse zu der
komplizierten magnetischen Struktur zusammensetzen kann“.
Um diese neuartige Spinstruktur und den außergewöhnlichen Symmetriebruch
zwischen magnetischer und atomarer Ordnung zu verstehen, mussten die
Theoretiker der Universität Kiel und des Forschungszentrums Jülich ein
Modell für die Spinanordnung entwickeln und aufwendige
quantenmechanische Rechnungen auf Supercomputern in Jülich durchführen.
Diese brachten aber schließlich die Gewissheit, dass es sich tatsächlich
um stabile magnetische Skyrmionen auf einer Metalloberfläche handelt.
Prof. Stefan Heinze, Leiter der Kieler Arbeitsgruppe: „Mit Hilfe unseres
Modells konnten wir die genaue Spinstruktur im Eisenfilm angeben und
als Skyrmionengitter identifizieren. Der Vergleich mit den
experimentellen Daten erbrachte schließlich den Beweis für unsere
Entdeckung.“
Die Ursache für das Auftreten dieser komplexen Struktur ist ein
Zusammenspiel verschiedener magnetischer Wechselwirkungen: Während die
Rotation von atomaren Spins mit einem bestimmten Drehsinn durch die
antisymmetrische Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung verursacht wird,
kann erst die sogenannte 4-Spin-Wechselwirkung unter Beteiligung von
vier magnetischen Atomen die hier gefundenen Skyrmionen erzeugen.
Für zukünftige Anwendungen zum Beispiel im Bereich der Spintronik
eröffnen die gefundenen magnetischen Skyrmionen völlig neue
Möglichkeiten, werfen gleichzeitig aber auch neue Fragen auf: Wie wirkt
elektrischer Strom auf die Skyrmionen und lassen sich die magnetischen
Wirbel vielleicht sogar gezielt bewegen?
Quelle: Universität Hamburg (idw)