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Gitter aus magnetischen Wirbeln

Archivmeldung vom 06.08.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.08.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Die winzigen Wirbel aus nur je etwa 15 Atomen bilden ein regelmäßiges nahezu quadratisches Gitter. Die Grafik zeigt im rechten Bereich die magnetische Messung mithilfe spinpolarisierter Rastertunnelmikroskopie als Graustufenbild. Das herausgeschnittene Quadrat markiert ein einzelnes Skyrmion. Die farbigen Kegel zeigen die Orientierung der magnetischen Ausrichtung der einzelnen hexagonal angeordneten Eisenatome des Metallfilms an. Bild: M. Menzel, Universität Hamburg
Die winzigen Wirbel aus nur je etwa 15 Atomen bilden ein regelmäßiges nahezu quadratisches Gitter. Die Grafik zeigt im rechten Bereich die magnetische Messung mithilfe spinpolarisierter Rastertunnelmikroskopie als Graustufenbild. Das herausgeschnittene Quadrat markiert ein einzelnes Skyrmion. Die farbigen Kegel zeigen die Orientierung der magnetischen Ausrichtung der einzelnen hexagonal angeordneten Eisenatome des Metallfilms an. Bild: M. Menzel, Universität Hamburg

Physiker der Universitäten in Hamburg und Kiel und des Forschungszentrums Jülich haben erstmals ein regelmäßiges Gitter aus magnetischen Skyrmionen – wirbelförmigen Spinstrukturen von außergewöhnlicher Stabilität – auf einer Oberfläche gefunden. Diese faszinierende magnetische Struktur wurde an der Universität Hamburg mithilfe der spinpolarisierten Rastertunnelmikroskopie experimentell entdeckt und auf der atomaren Skala sichtbar gemacht. Theoretiker der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und des Forschungszentrums Jülich konnten diesen magnetischen Zustand und seine mikroskopische Ursache mit Hilfe von quantenmechanischen Rechnungen auf Supercomputern erklären.

Wie die Fachzeitschrift „Nature Physics“ in der Online-Ausgabe vom 31. Juli 2011 berichtet, entdeckten die Forscher die magnetischen Wirbel, die jeweils aus ungefähr 15 Atomen bestehen, in einer atomaren Schicht Eisen auf der Oberfläche eines Iridiumkristalls. Diese Entdeckung könnte neue Impulse für den Bereich der Spintronik geben.

Vor ungefähr 50 Jahren fand der theoretische Physiker Tony Skyrme zu seiner Überraschung in quantenmechanischen Feldtheorien stabile und lokalisierte Konfigurationen, die miteinander wechselwirken und sich wie Atome auf einem Gitter anordnen können. Aufgrund dieser Eigenschaften identifizierte er diese wirbelartigen Lösungen als elementare Teilchen. Diese nach ihrem Entdecker benannten Skyrmionen zeigten sich später in vielen unterschiedlichen Gebieten der Physik und entwickelten sich so zu einem wichtigen Konzept. Das mögliche Auftreten von Skyrmionen in magnetischen Materialien wurde bereits vor 20 Jahren vorhergesagt und in Volumenmaterialien auch schon experimentell bestätigt.
Das in Hamburg entdeckte magnetische Skyrmionengitter tritt in einem atomar dünnen Film auf einer Oberfläche auf. Der Durchmesser der Wirbel beträgt nur wenige Atome und ist damit um mindestens eine Größenordnung kleiner als die bisher bekannten magnetischen Skyrmionen. Wie so oft spielte auch bei dieser Entdeckung der Zufall eine große Rolle. „Es ist zwar bekannt, dass Eisen unter Umständen auch ungewöhnliche magnetische Strukturen bilden kann, aber als wir die nahezu quadratische magnetische Struktur im Nanometer-Bereich gefunden haben, die sich eigentlich nicht mit der hexagonalen Anordnung der Eisenatome verträgt, war die Überraschung groß“ sagt Dr. Kirsten von Bergmann aus der experimentellen Hamburger Forschungsgruppe von Prof. Roland Wiesendanger. Den Doktoranden Matthias Menzel fasziniert die Tatsache, „dass man durch geschicktes Variieren der Versuchsanordnung die Messergebnisse zu der komplizierten magnetischen Struktur zusammensetzen kann“.
Um diese neuartige Spinstruktur und den außergewöhnlichen Symmetriebruch zwischen magnetischer und atomarer Ordnung zu verstehen, mussten die Theoretiker der Universität Kiel und des Forschungszentrums Jülich ein Modell für die Spinanordnung entwickeln und aufwendige quantenmechanische Rechnungen auf Supercomputern in Jülich durchführen. Diese brachten aber schließlich die Gewissheit, dass es sich tatsächlich um stabile magnetische Skyrmionen auf einer Metalloberfläche handelt. Prof. Stefan Heinze, Leiter der Kieler Arbeitsgruppe: „Mit Hilfe unseres Modells konnten wir die genaue Spinstruktur im Eisenfilm angeben und als Skyrmionengitter identifizieren. Der Vergleich mit den experimentellen Daten erbrachte schließlich den Beweis für unsere Entdeckung.“
Die Ursache für das Auftreten dieser komplexen Struktur ist ein Zusammenspiel verschiedener magnetischer Wechselwirkungen: Während die Rotation von atomaren Spins mit einem bestimmten Drehsinn durch die antisymmetrische Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung verursacht wird, kann erst die sogenannte 4-Spin-Wechselwirkung unter Beteiligung von vier magnetischen Atomen die hier gefundenen Skyrmionen erzeugen.
Für zukünftige Anwendungen zum Beispiel im Bereich der Spintronik eröffnen die gefundenen magnetischen Skyrmionen völlig neue Möglichkeiten, werfen gleichzeitig aber auch neue Fragen auf: Wie wirkt elektrischer Strom auf die Skyrmionen und lassen sich die magnetischen Wirbel vielleicht sogar gezielt bewegen?

Quelle: Universität Hamburg (idw)

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