Vom Schädling zum Nützling
Archivmeldung vom 11.07.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.07.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Wissenschaftler wenden, um die Viren als Gussform, als so genanntes Biotemplat, nutzen zu können, eine ähnliche Technik an, mit der früher Silberspiegel hergestellt wurden: die stromlose Abscheidung. Dabei werden die Viren mit Edelmetall- und anschließend mit Kobalt- oder Nickelsalzen behandelt. Unter Anwesenheit von Reduktionsmitteln wird dabei entweder die Virenaußenhülle oder das Innere der Röhre metallisiert.
Die so entstehenden Kobalt- und Nickeldrähte sind nur circa zehn Atome
breit, aber bis zu 0,5 Mikrometer lang. Ähnlich langgestreckte und
gleichförmige Kleinstobjekte sind in der Natur äußerst selten und auch
technisch nur mit hohem Aufwand herstellbar. Die mittels der Viren auf
vergleichsweise einfachem Wege zu produzierenden Nanostrukturen könnten
sich beispielsweise zur Verdrahtung von Mikrochips einsetzen lassen.
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an Prüfverfahren, mit denen
verschiedene "Virusdraht"-Typen auf Leitfähigkeit und Magnetismus
getestet werden können, um erste Anwendungen in der Nanoelektronik zu
erproben. Zur Kontaktierung der winzigen Draht-Enden gelang kürzlich
ein entscheidender Schritt. Aus den Virusstäbchen ließen sich
Nanohanteln generieren, indem Goldkörner an beide Enden gebunden und
durch Metallabscheidung vergrößert wurden. Damit stehen nun ausreichend
große Kontaktflächen zur Verfügung, über die Messgeräte angeschlossen
werden können. Um Produkte mit anderen Materialeigenschaften und
Röhrchen-Felder zu erhalten, die zum Beispiel als Biosensor oder
Nano-Schaltmodul dienen könnten, "züchten" die Virologen Prof. Holger
Jeske und Dr. Christina Wege am Biologischen Institut der Uni Stuttgart
derzeit im Labor TMV-Derivate mit veränderten Oberflächen und Längen.
Als besonders vielversprechend gelten zudem freie TMV-Proteine, die mit
wenig Aufwand in Flüssigkulturen von Hefezellen gewonnen werden. Diese
sollen dann direkt auf technische Substrate wie Silizium-Wafer und
Glas-Chips zu Röhren un-terschiedlicher Längen polymerisiert werden. So
könnten neuartige elektronische Nanobausteine mit technisch
interessanten Eigenschaften entstehen.
Gefördert werden die
Arbeiten von der Landesstiftung im Rahmen des Baden-Württembergischen
Kompetenznetzwerks "Funktionelle Nanostrukturen" und des bundesweiten
Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft "Nanodrähte
und Nanoröhren".
Quelle: Pressemitteilung Universität Stuttgart