Der Blick ins Unbewusste: Das Gehirn und die Automarke
Archivmeldung vom 24.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWeshalb fährst Du gerade dieses Auto? Warum greifst Du immer wieder zur selben Turnschuhmarke? Wirkt autogenes Training tatsächlich? Und welche Prozesse laufen dabei im menschlichen Hirn ab? Was dem Laien noch ein Rätsel ist, können Radiologen immer besser durchschauen.
Denn inzwischen lassen sich selbst unbewusste Motivationen und Präferenzen mit
Bild gebenden Verfahren sichtbar machen. Wissenschaftler der noch jungen
Disziplin Neuromarketing können wohl bald nachvollziehen, nach welchen Mustern
unser Hirn Kaufverhalten steuert. Wird damit das menschliche Hirn bald ganz
durchsichtig sein? Diese und andere Fragen stellen sich derzeit die 7.000
Teilnehmer des 87. Deutschen Röntgenkongresses in Berlin. Auf jeden Fall ist ein
Trend sichtbar: Radiologen mischen immer mehr in der Marktforschung mit.
Was der Texanische Neuroforscher Read Montague bereits in
den 70er Jahren beim Vergleich zwischen Coca- und Pepsi-Cola mit dem
Kernspintomographen zu entschlüsseln versuchte, ist heute aktueller denn je. Mit
der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) holen Radiologen unbewusste
Motivationen auf den Bildschirm und bringen ihre Erkenntnisse in die
Marktforschung ein. Mittlerweile hat sich daraus eine selbständige Disziplin
entwickelt - das Neuromarketing. Kürzlich untersuchte die Forschungsgruppe für
Neurowissenschaften & Marketing am Klinikum der Universität München mit der
funktionellen MRT die Wahrnehmung von Auto- und Turnschuhmarken. "Mit der
präzisen Abbildung des Blutsauerstoffgehalts in den verschiedenen Hirnregionen
konnten wir nachweisen, dass starke Produktmarken Bereiche aktivieren, die eine
zentrale Rolle beim positiven emotionalen Bewerten von Handlungen spielen. Bei
schwachen Marken werden diese eher gehemmt", erläutert die Radiologin Dr.
Christine Born das Experiment. Zudem gibt es Unterschiede im Markenempfinden
zwischen Männern und Frauen. Dies belegt einmal mehr, dass Frauen z.B. andere
Werbeinhalte angeboten werden müssen als Männern.
Haben wir bald den
gläsernen Konsumenten? Die schnelle technologische Entwicklung gibt Anlass zu
dieser Vermutung: Durch das Messen von Hirnaktivitäten mit Bild gebenden
Verfahren können Radiologen erstmals die Blackbox zwischen Reizaufnahme und
Verhaltensäußerung entschlüsseln. Mit der funktionellen MRT steht ihnen eine
Methode zur Verfügung, mit der sich durch hoch aufgelöste Bilder kognitive
Vorgänge - wie Wahrnehmungen und Gefühle - darstellen lassen. "Radiologen
gewinnen täglich neue Erkenntnisse im Bereich der Neurowissenschaften und werden
zukünftig einen beachtlichen Teil zur Marktforschung beitragen", kommentiert Dr.
Born die Entwicklungen in der Radiologie.
Auch Ergebnisse eines
Experimentes an der Universitätsklinik in Essen belegen die rasante Entwicklung.
Die Mitarbeiter des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie
und Neuroradiologie führten eine Studie zu Auswirkungen von autogenem Training
durch. Probanden mit und ohne Kenntnisse in autogenem Training sollten sich
unter MRT-Kontrolle vorstellen, dass sie ihren rechten Arm bewegten bzw. dass
dieser schwer und warm werde. Die Teilnehmer, die autogenes Training
beherrschten, zeigten eine Aktivierung der motorischen und sensiblen Areale des
Gehirns. Teilnehmer ohne Erfahrung hingegen wiesen keinerlei Aktivität auf.
"Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass erlernte Entspannungstechniken nicht
einfach nur Hokuspokus sind. Sie haben tatsächlich messbare Auswirkungen auf den
menschlichen Körper, die sich präzise im Gehirn erkennen lassen", wertet Prof.
Dr. Michael Forsting, Direktor des Essener Instituts, die Studienresultate.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.