Russen und Italiener lüften gemeinsam Geheimnisse von Dunkelmaterie
Archivmeldung vom 17.03.2005
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Freigeschaltet durch Michael DahlkeEine weitere Etappe des russisch-italienischen Projektes RIM-Pamela ist mit der Entwicklung eines flugtauglichen Musters des Präzisions-Magnetspektrometers "Pamela" durch Fachleute beider Länder zu Ende gegangen.
(Juri Saizew, Experte des Instituts für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften). Eine weitere Etappe des russisch-italienischen Projektes RIM-Pamela ist mit der Entwicklung eines flugtauglichen Musters des Präzisions-Magnetspektrometers "Pamela" durch Fachleute beider Länder zu Ende gegangen.
Nach Ansicht von Experten der Russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos war diese Etappe äußerst wichtig. (Die Abkürzung RIM steht für "Russisch-Italienische Mission.) Die Forschungsaufgaben des Projektes, an dem auch Wissenschaftler in Deutschland, Schweden und den USA teilnehmen, haben zum Ziel, fundamentale Probleme der Kosmologie, der Lehre über den Ursprung und die Evolution des Universums, zu lösen.
Zu solchen Problemen gehörten unter anderem "die Natur der Dunkelmaterie, Generierung und Verbreitung galaxischer Strahlung, Prozesse auf der Sonne und Sonnenstrahlung sowie Teilchen mit hoher Energie in der Magnetosphäre der Erde", sagt Prof. Arkadi Galper von der Moskauer Hochschule für Physik-Ingenieure (MIFI) und Forschungsleiter des Projektes auf der russischen Seite. Der Idee des Projektes selbst liegen von MIFI-Fachleuten früher durchgeführte Forschungen zu Grunde.
Das "Pamela"-Spektrometer ist mit modernsten Detektoren von Elementarteilchen ausgestattet. Diese Detektoren ermöglichen es, die Polarität und Stärke elektrischer Ladungen, die Geschwindigkeit, Energie, Masse, Richtung und die Ankunftszeit des kosmischen Teilchens anhand der Magnetanalyse (Abweichung von Teilchen beim Passieren des Magnetfeldes) genau zu messen bzw. zu bestimmen.
Nach Abschluss autonomer Erprobungen des flugtauglichen Musters des Gerätes, die in der Universität Tor Vargata in Rom unter Leitung von Prof. Picozza Piergiorgio, Forschungsleiter des Projektes auf der italienischen Seite, durchgeführt werden, wird das Spektrometer im April nach Russland gebracht. Darauf wird das Gerät in einem hermetischen Sondercontainer an Bord des russischen Satelliten Resurs-DK1 zur Fernerkundung der Erde montiert, der im Raketenzentrum ZSKB-Progress in Samara an der Wolga gebaut wurde.
Normalerweise nehmen komplexe Erprobungen eines Raumapparates mit allen erforderlichen Forschungs- und Hilfsgeräten etwa ein halbes Jahr in Anspruch. Demzufolge wird der Satellit nicht früher als im 4. Quartal dieses Jahres ins All geschossen. Die Resurs-DK1 soll mit einer Sojus-M-Trägerrakete vom russischen Raumbahnhof Baikonur (Kasachstan) in den Orbit befördert werden. Die aktive Betriebszeit des Satelliten in einer Höhe von 360 bis 690 Kilometern beträgt mindestens drei Jahre. Bei Messungen wird die sensible Achse von "Pamela" exakt auf den Zenit gerichtet, während die anderen Geräte des Satelliten auf die Erde orientiert sein werden. Diese Position wird dem Spektrometer die ununterbrochene Messung der kosmischen Strahlung im Laufe der gesamten Betriebszeit des Satelliten ermöglichen.
Im Hauptregime der Messungen wird das Gerät bis zu zehn Milliarden Informationseinheiten pro Tag liefern. Aber seine technischen Möglichkeiten gestatten es, ein doppelt so großes Datenvolumen zu speichern und an eine Bodenstation zu übertragen. Die Hauptstation für den Empfang der Signale der "Pamela", die zugleich die Zentrale für die Steuerung des Experiments ist, befindet sich in Moskau. Eine zweite Station wird Signale in Chanty-Mansijsk (Westsibirien) empfangen.
Im Laufe einer Stunde nach dem Empfang werden die Daten auf ihre Qualität geprüft und dann an die zuständige Gruppe zur operativen Auswertung weiter geleitet.
Eine wichtige Besonderheit des Empfangssystems ist die Möglichkeit, die in der Moskauer Station eingegangenen Daten auch von Terminalen in Italien und Schweden auszuwerten. Die komplette Auswertung erfolgt nach abgestimmten Programmen in den Teilnehmerländern des Projektes. Die Forschungsergebnisse werden von den Seiten ebenfalls gemeinsam genutzt und veröffentlicht.
In den drei Jahrenununterbrochener Beobachtung sollen bis zu 10 000 Antiprotone (Elementarteilchen mit gleichen physikalischen Eigenschaften wie bei Protonen, aber mit entgegengesetztem Pol) wie auch 100 000 Positrone - Antiteilchen gegenüber den Elektronen - registriert werden. Die Teilnehmer des Projektes sind der Ansicht, dass diese Mengen ausreichen, um einen Annihilationseffekt nachzuweisen. Es geht um die Umwandlung eines Teilchens und eines Antiteilchens bei ihrem Aufeinandertreffen in andere Elementarteilchen - sehr massive und schwach mit einander zusammenwirkende - so genannte WIMP's (Weak Interacting Massive Particle). Wissenschaftler vermuten, dass sich die Dunkelmaterie im Universum gerade aus WIMP-Teilchen zusammensetzt. Möglicherweise wird es während des Experiments gelingen, die Masse dieser Teilchen zu bestimmen.
Da die Magnetanalyse allein nicht ausreicht, um Antiteilchen zu erkennen (Elektronen können Antiprotone imitieren: Beide Teilchen sind negativ geladen; Protone können Positrone imitieren), gehören zum "Pamela"-Spektroskop zusätzliche Geräte und Detektorsysteme. Einige davon wurden von russischen Wissenschaftlern konstruiert. Diese Geräte gestatten es, Antiteilchen sicher zu erkennen und ihre Energien zu bestimmen. Bis zuletzt wurden experimentelle Angaben über Ströme von Antiprotonen und Positronen hoher Energien in der kosmischen Strahlung mit Hilfe von Geräten an Bord von Aerostaten gewonnen, die in großer Höhe eingesetzt waren. Aber infolge des Einflusses der Atmosphäre konnte die erforderliche Präzision der Messungen nicht gewährleistet werden. Das RIM-Pamela-Projekt kann somit zum ersten weltweiten Experiment zur Bestimmung der latenten Masse im Universum mit kosmischen Mitteln werden.
"Bekanntlich setzt sich das Universum zu 25 Prozent aus Dunkelmaterie (oder latenter Masse) und zu 70 Prozent aus dunkler Energie - Energie des kosmischen Vakuums - zusammen, die der Gravitationskraft entgegen wirken und eine unaufhaltsame Erweiterung unseresUniversums gewährleisten", sagt Professor Galper. Am Vorhandensein von Dunkelmaterie im All hat bislang niemand gezweifelt. Nachgewiesen sind sogar ganze Gebiete, die mit unsichtbarer Materie gefüllt sind. Für den Beobachter auf der Erde wirkt ein solches Gebiet wie eine Linse, die die elektromagnetische Strahlung eines weiten kosmischen Objekts im Gravitationsfeld bricht, falls sich der Beobachter, die unsichtbare Materie (Linse) und das Beobachtungsobjekt auf einer Linie befinden.
"Es erhob sich immer wieder die Frage, welchen Anteil die unsichtbare Materie an der Masse des sichtbaren Teils des Universums hat, den die Astronomen beobachten", fährt Galper fort. "Das ist eine überaus wichtige Frage: Falls die vollständige Dichte der Materie im Universum in dessen sichtbaren und unsichtbaren Teil geringer ist als eine gewisse kritische Dichte, wird sich das Universum bis ins Unendliche erweitern. Wenn diese Dichte größer ist, wird sich das Universum in einer gewissen Zeit komprimieren. Wenn diese Dichte der kritischen gleich kommt, wird sich das Universum auch in der Zukunft erweitern, allerdings mit einer geringeren Geschwindigkeit", behauptet der Wissenschaftler.
Die Ergründung der rätselhaften Welt, bekannt als Dunkelmaterie, die Messung der Masse von Teilchen (vorausgesetzt, dass diese Dunkelmaterie aus Elementarteilchen besteht) wie auch die Bestimmung ihres Ursprungs und ihrer Eigenschaften gehören zu den vorrangigen künftigen Forschungen im Rahmen des Projektes RIM-Pamela. (RIA)
Quelle: http://russland.ru/wissenschaft/morenews.php?iditem=132