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Gießener und Leipziger Biologen entdecken eine neue Organismenklasse

Archivmeldung vom 30.06.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.06.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Zellen mit Pseudopodiennetzwerk, DIC (= Differentieller Interferenzkontrast). Quelle: Universität Leipzig
Zellen mit Pseudopodiennetzwerk, DIC (= Differentieller Interferenzkontrast). Quelle: Universität Leipzig

Ein Aufsehen erregender Fund gelang durch eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Biologen von drei Universitäten: den Universitäten in Gießen, Leipzig und auf Teneriffa, Spanien. Mit einer bisher unbekannten Art wurde zugleich eine neue Organismenklasse entdeckt. Dies ist äußerst ungewöhnlich.

Zelle, die sich in vier Tochterzellen teilt, im Phasenkontrast, Pseudopodiennetz. Bild: Universität Leipzig
Zelle, die sich in vier Tochterzellen teilt, im Phasenkontrast, Pseudopodiennetz. Bild: Universität Leipzig

Noch aufregender für die Wissenschaftler ist aber, dass die Organismen zudem einen bisher völlig unbekannten Zellbau aufweisen. Die erste Art der neuen Klasse Synchromophyceae, Synchroma grande, wird in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift PROTIST (online: doi:10.1016/j.protis.2007.02.004) beschrieben.Zu den Untersuchungsobjekten von Prof. Dr. Reinhard Schnetter, Fachbereich Biologie und Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen, gehören marine amöboide Algen. Das sind Amöben, die im Laufe der Evolution Algenzellen "gefressen" aber nicht verdaut haben, sondern diese Algenzellen wurden in Zellorganellen, die Chloroplasten, umgewandelt. Evolutionsbiologen betrachten alle die für Pflanzen so charakteristischen Chloroplasten als Ergebnis der Aufnahme einer Photosynthese betreibenden Zelle durch eine hierzu nicht befähigte Zelle.

In einem ersten Schritt erfolgte die Aufnahme eines Cyanobakteriums (Blaualge), wodurch die Rotalgen und alle grünen Pflanzen entstanden sind. Danach nahmen in einem zweiten Schritt Zellen, die nicht zur Photosynthese befähigt sind, wie beispielsweise farblose Amöben, Grün- oder Rotalgen auf. So etwa haben sich die Vorläufer der Braunalgen durch Aufnahme einer Rotalge gebildet. Ob die Chloroplasten in einem pflanzlichen Organismus auf einen primären oder einen sekundären Aufnahmeschritt zurückzuführen sind, das lässt sich heute mit dem Elektronenmikroskop feststellen. In Proben mariner Mikroorganismen, die in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. María Candelaria Gil-Rodríguez von der spanischen Universität von La Laguna (Teneriffa) gesammelt worden waren, stieß Prof. Schnetter auf ihm unbekannte amöboide Algen, die er isolierte und weiter kultivierte. Elektronenmikroskopische Analysen, die Dr. Katrin Ehlers vom Institut für Allgemeine Botanik (Fachbereich Biologie und Chemie der Universität Gießen) durchführte, ergaben, dass in den Zellen der Amöben Chloroplastenkomplexe vorliegen, die bisher von keinem anderen Organismus bekannt waren.

Dies war der erste Hinweis auf die Sonderstellung der neuen amöboiden Algen. Danach führten Prof. Dr. Christian Wilhelm, Dipl.-Biol. Susanne Horn und Kollegen an der Universität Leipzig biochemische und molekularbiologische Untersuchungen durch, die die Einzigartigkeit der Algen bestätigten und zur Aufstellung einer neuen Klasse führten.Es ist davon auszugehen, dass die Neuentdeckung bei Molekularbiologen, Evolutionsbiologen, Systematikern und Zellbiologen auf großes Interesse stoßen und zu weiterer Forschungstätigkeit anregen wird.

Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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