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Neue Erkenntnisse zu den Geburtswehen unserer Milchstraße

Archivmeldung vom 14.06.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.06.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

So genau hat bisher noch niemand hingeschaut: Astrophysikern vom Argelander-Institut der Universität Bonn ist es in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Radioastronomie erstmals gelungen, zeitlich hochaufgelöst die Frühphase der Entstehungsgeschichte unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, zu erforschen.

Die Forscher um Professor Dr. Pavel Kroupa verwendeten dazu Objekte, die so alt sind wie die Milchstraße selbst. „Die rund 150 Kugelsternhaufen im so genannten Halo der Milchstraße sind vermutlich zeitgleich mit der Proto-Galaxie enstanden, aus der sich die heutige Milchstraße entwickelt hat“, weiß Kroupa. „Diese Sternansammlungen sind somit Zeugen der Galaxienentstehung.“ Um mit ihrer Hilfe die Zusammenhänge bei der Geburt der Milchstraße zu verstehen, bedienten sich die Astronomen eines Tricks: Sie fanden nämlich heraus, dass die Sternhaufen uns einen Hinweis darüber hinterlassen haben, unter welchen Bedingungen sie entstanden sind.

Die Sterne eines jeden Kugelhaufens bildeten sich aus einer Wolke molekularen Gases. Aber nicht das komplette vorhandene Gasmaterial wurde dabei auch tatsächlich in Sterne umgewandelt. Das Restgas wurde von der Strahlung und den Winden der neu formierten Sternenansammlung aus dem Haufen geblasen. „Bei der darauf folgenden Ausdehnung wurden einige Sterne von der Anziehungskraft der entstehenden Milchstraße aus den Haufen gerissen“, erklärt Michael Marks, Stipendiat der Internationalen Max-Planck Forschungsschule für Astronomie und Astrophysik in Bonn (IMPRS) und Doktorand von Professor Kroupa. „Dieser Prozess hinterlässt bis heute in der Massenverteilung der Sterne in den Kugelhaufen ihre Spuren. Und aus diesen Spuren kann man auf die Eigenschaften der Milchstraße zur Zeit ihrer Entstehung schließen.“

Wenn man Massenverteilung und Alter der Sternhaufen korreliert, zeigt sich, dass vor allem die jüngeren Haufen viele Sterne verloren haben müssen. Mit Hilfe von Computersimulationen konnten die Forscher aus diesem Zusammenhang die Bedingungen ableiten, unter denen die Haufen entstanden sind. „Zur Zeit ihrer Entstehung müssen die jüngeren Sternhaufen besonders starken Gravitationskräften durch die entstehende Milchstraße ausgesetzt gewesen sein“, sagt Marks. Bei den älteren Kugelhaufen hielten sich die Massenverluste dagegen in Grenzen, was für eine geringere Krafteinwirkung spricht. „Die Altersunterschiede zwischen den Kugelhaufen sind insgesamt relativ klein“, sagt Marks weiter. „Daher nehmen wir an, dass sich die Kraftverhältnisse in der entstehenden Milchstraße äußerst schnell geändert haben.“

Das Grundgerüst der Milchstraße ist vor gut 13,5 Milliarden Jahren aus einer riesigen Gaswolke entstanden. Diese Gaswolke muss sich nach Vorstellung der Bonner Astronomen in nur wenigen hundert Millionen Jahren von einer gleichmäßigen Struktur in ein klumpiges Gebilde verwandelt haben, was die lokal wirkenden Kräfte verstärkte. „Läge der Mond dichter an der Erde, würden bei uns größere Gezeitenkräfte wirken“, verdeutlicht Kroupa diesen Zusammenhang an einem Beispiel. Bei dem Kollaps der Wolke bildeten sich sukzessive auch die Kugelhaufen in der Umgebung der Milchstraße.

„Wir verstehen nun besser, wie die Entwicklung der Milchstraße in ihren Anfangszeiten verlief“, fasst Professor Kroupa die Ergebnisse zusammen. „Mit derart hoher zeitlicher Auflösung konnte man diese Vorgänge bisher noch nicht erfassen.“

Quelle: Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn

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