Cern-Chefin sieht Europas Führungsrolle in Teilchenphysik bedroht
Archivmeldung vom 06.09.2024
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Direktorin des Kernforschungszentrums Cern in Genf, Fabiola Gianotti, warnt davor, dass Europa in der Hochenergiephysik hinter China zurückfällt.
"Europa könnte seine Führungsrolle in der Teilchenphysik verlieren",
sagte sie dem Nachrichten-Magazin "Der Spiegel". Die Untersuchung der
kleinsten physikalischen Teilchen helfe nicht nur zu verstehen, wie das
Universum auf der grundlegendsten Ebene funktioniere. Die dafür
notwendige Technologie treibe auch Entwicklungen in anderen Bereichen
voran, "unter anderem bei bildgebenden Verfahren in der Medizin, der
Krebsbehandlung oder Künstlicher Intelligenz für autonomes Autofahren".
Als
Nachfolger des Large Hadron Collider (LHC), mit dem im Jahr 2012 das
sogenannte Higgs-Teilchen entdeckt wurde, plant das Cern den Bau eines
neuen, 91 Kilometer langen Riesenbeschleunigers für umgerechnet ungefähr
16 Milliarden Euro. Deutschland als größter Beitragszahler des Cern
stellte kürzlich die finanzielle Unterstützung dieser Maschine infrage.
China verfolgt den Bau eines ähnlich leistungsfähigen
Ringbeschleunigers. "Wenn wir Vorreiter bleiben wollen, sollte der neue
Beschleuniger am Cern gebaut werden", sagte Gianotti.
Zwar habe
China signalisiert, dass ein Beschleuniger im eigenen Land auch
internationalen Wissenschaftlern offen stehe. Gianotti hält es aber für
unwahrscheinlich, dass dieser die gesamte Gemeinschaft der
Teilchenphysik aufnehmen könnte. "Bei der gegenwärtigen politischen
Weltlage können sich Wissenschaftler mancher Länder nicht sicher sein,
ob sie überhaupt in China arbeiten dürfen", sagte Gianotti.
Die
Physikerin hält es dagegen nicht für ausgeschlossen, dass China neben
den aktuell 24 Cern-Mitgliedsländern ein assoziiertes Mitglied werden
könnte wie zuletzt Brasilien. Damit könnte das Land etwa an
Cern-Sitzungen teilnehmen, auch zu Finanzfragen. Gespräche mit China
dazu seien vor einigen Jahren versandet, sagte Gianotti, schloss einen
erneuten Anlauf aber nicht aus. "Ich denke, eine assoziierte
Mitgliedschaft von China wäre eine gute Sache", sagte sie.
Quelle: dts Nachrichtenagentur