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ATLAS und der Ursprung der Welt

Archivmeldung vom 26.07.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.07.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Mehr als 1800 Forscher aus 35 Ländern sind derzeit noch damit beschäftigt, den ATLAS ("A Toroidal LHC ApparatuS") beim Forschungszentrum CERN in Genf aufzubauen. Aber schon nächstes Jahr soll dieser Detektor am "Large Hadron Collider LHC", dem leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger der Welt, in Betrieb gehen.

Ziel des Experiments ist, Bedingungen zu schaffen, wie sie Sekundenbruchteile nach dem Urknall herrschten. Dazu sollen unter anderem Proton-Proton-Wechselwirkungen untersucht, und die Teilchenmassen besser verstanden werden. Auch Physiker der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München sind an dem großen Experiment beteiligt. So hat jetzt eine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für experimentelle Teilchenphysik von Professor Dr. Dorothee Schaile in Zusammenarbeit mit Forschern des Max-Planck-Instituts für Physik (Werner-Heisenberg-Institut) in München einen wichtige Etappe erreicht: Die Wissenschaftler haben insgesamt 88 Detektormodule von bis zu zwei Meter mal vier Meter Größe gebaut, in Betrieb genommen, mit höchster Präzision vermessen und nun erfolgreich in die ATLAS-Messanlage am CERN eingebaut.

"Diese Module sind Bestandteil des Myon-Spektrometers", berichtet Professor Dr. Otmar Biebel vom Lehrstuhl Schaile. "Das Gerät ist 40 Meter lang und hat einen Durchmesser von 20 Metern. Trotzdem können wir darin die Flugbahn von Myonen mit einer Genauigkeit von 0,1 Millimeter messen." Diese Partikel gehören zu den kleinsten bekannten Teilchen. Myonen sind in ihren Eigenschaften den Elektronen ähnlich, also auch negativ geladen, aber viel schwerer. Sie entstehen bei hochenergetischen Kollisionen zwischen Protonen im "Large Hadron Collider LHC" beim CERN - und insbesondere auch als Folge der Erzeugung anderer Elementarteilchen. "Mit dem Myon-Spektrometer erhält ATLAS also eine herausragende Komponente, um die Physik der Elementarteilchen zu erforschen", so Biebel. "An der gesamten Messanlage kann aber natürlich eine sehr große Anzahl von Experimenten gemacht werden. Im Grunde handelt es sich um einen Mehrzweck-Experimentalaufbau, zu dessen Realisierung viele Gruppen beigetragen haben und noch weiterhin beitragen werden."

Über 15 Jahre hinweg haben die Wissenschaftler ATLAS konzipiert, simuliert, optimiert, dann die Einzelkomponenten aufgebaut und getestet. Jetzt aber kommen sie in die entscheidende Phase der Inbetriebnahme. 2007 soll das umfassende und langjährige Experimentierprogramm mit der ATLAS-Messanlage beginnen und Zugang zu ganz fundamentalen Fragen bieten. Es geht um die physikalischen Grundlagen der Materie, von Raum und Zeit, und auch das Verständnis des Ursprungs von Masse nach dem so genannten Higgs-Mechanismus. Daneben soll auch Supersymmetrie, also die neuartigen und grundlegenden Symmetrien von Materie und Kräften, beobachtet werden. Mit Hilfe von ATLAS wird auch den in der Stringtheorie postulierten zusätzlichen, verborgenen Raumdimensionen nachgespürt werden. Die experimentellen Messungen werden, so hoffen die Forscher, Antworten geben auf die vielfältigen Fragen zur Physik der fundamentalen Elementarteilchen bei Bedingungen, die sehr kurz nach Beginn des Universums herrschten. Das soll zu neuen Erkenntnissen und zu einem tieferen Verständnis von Ursprung und Struktur unseres Kosmos liefern.

Die Fragestellungen sind also sehr weit gestreut, und auch an der LMU gibt es unterschiedliche Interessen. Schaile und Biebel bearbeiten das Projekt gemeinsam, wenn auch mit anderen Schwerpunkten. "Professor Schaile ist beispielsweise an dem komplexen, weltumspannenden Computing-Modell für ATLAS engagiert, während ich mich um den Aufbau und Test der Detektormodule gekümmert habe", so Biebel. "Bei den Messungen und Analysen werde ich mich dann unter anderem auf die Physik des Top-Quarks konzentrieren." Quarks gehören ebenfalls zu den Elementarteilchen. Das Top Quark ist dabei der schwerste Vertreter und kann nur unter erheblichem Energieaufwand erzeugt werden. Möglicherweise beantwortet die Wechselwirkung dieser besonderen Teilchen einige Fragen zu ihrer Natur. Bestimmte Analysen könnten auch dazu beitragen, dem Higgs-Boson auf die Spur zu kommen. Die Entdeckung dieses Teilchen ist eines von Frau Schailes Forschungszielen beim ATLAS-Experiment. Denn das immer noch mysteriöse Higgs-Boson wurde bislang nur als Ergänzung der anderen Teilchen theoretisch vorhergesagt - nachgewiesen wurde es bislang noch nicht.


Website:

http://www.atlas.ch

http://www.etp.physik.uni-muenchen.de/


Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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