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Helfen Keime in der Matratze gegen Allergien?

Archivmeldung vom 10.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Listerien - von diesen gesundheitsschädlichen Keimen hört der Verbraucher normalerweise nur im Zusammenhang mit Rohmilchkäse, Tatar oder Räucherlachs. Vom grippalen Infekt über Durchfall bis hin zu Blutvergiftung oder Hirnhautentzündung die Liste der durch den Verzehr von Listerien-verseuchten Lebensmitteln verursachten Krankheiten ist lang.

Für Schwangere sind die Keime besonders gefährlich, da sie zu einer Missbildung des Fötus und sogar zu Totgeburten führen können. Aus Gründen des Verbraucherschutzes werden Risikolebensmittel wie rohe Fleisch-, Fisch- oder Milchprodukte deshalb streng von der Lebensmittelsicherheit überwacht. Vielleicht sollten Hygienekontrolleure in Zukunft aber auch verstärkt unter die Bettdecken gucken: Denn vor kurzem haben Forscher des Wissenschaftszentrums Weihenstephan (WZW) der Technischen Universität München den Matratzenstaub von Bauernhofkindern untersucht und in fast zwei Dritteln der Proben infektiöse Listerien nachgewiesen (siehe Environmental Research 2008, Band 107, Seite 299-304).

Dass die Wissenschaftler ihre Studien ausgerechnet im ländlichen Umfeld durchführen, hat einen guten Grund: Viele epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die Bauernhofumgebung vor der Entstehung von Asthma bronchiale und Allergien schützen kann. Man vermutet, dass Mikroorganismen dafür verantwortlich sind: So wurden hitzeabgetötete Listerien bereits erfolgreich in der Immuntherapie von Mäusen zur Regulierung von Atemwegshyperreaktivität und Entzündungen eingesetzt. Vor diesem Hintergrund hat ein Forscherteam um Prof. Johann Bauer vom Lehrstuhl für Tierhygiene des WZW auf Bauernhöfen gezielt nach Listerien gefahndet. Die Vermutung: Möglicherweise trainieren Landkinder ihr Immunsystem gerade durch diese Bakterien, denn Listerien treten sowohl im Ackerboden als auch im Viehstall immer wieder auf. Deshalb wurden Staubproben von insgesamt 26 Bauernhöfen in Südbayern untersucht zum einen aus den Kuh- und/oder Schweineställen, zum anderen von den Matratzen der Kinder. Was zunächst skurril klingt, hat Methode: Persönlicher Matratzenstaub ist ein exzellenter Indikator, um zu messen, wie stark ein Individuum langfristig bestimmten Keimen ausgesetzt ist. Die Stallproben wurden vor Ort mit einer Bürste genommen, für die Matratzenproben nutzten die Forscher einen Staubsauger: Drei Minuten Saugen bei voller Leistung brachte genügend Staub zusammen, um ihn mikrobiologisch untersuchen zu können. Dazu extrahierten die Tierhygieniker aus allen Proben die Erbsubstanz (DNA) und vervielfältigten mittels PCR das Erbgut der enthaltenen Mikroorganismen.

Nach der Vervielfältigung der enthaltenen Gene ließ sich genau analysieren, ob auch die für den Menschen gefährliche Art Listeria monocytogenes darunter war. Ergebnis: Der gesundheitsschädliche Keim fand sich in 28 Prozent der Tierstall-Proben, und sogar in 60 Prozent der Proben aus Matratzenstaub. Fast zwei Drittel der untersuchten Bauernhofkinder hatten also Listerien in ihren Betten, fasst Bauer zusammen. Offenbar könne eine dauerhafte Belastung mit diesen Keimen, die eigentlich als gesundheitsschädigend gelten, die Allergieanfälligkeit der Landkinder im Vergleich zu Gleichaltrigen aus der Stadt möglicherweise senken.

Gleichzeitig stelle sich die Frage, wie oft Listerien generell in den Betten der Deutschen auftauchen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts werden in Deutschland jedes Jahr über 500 Listeriose-Fälle beim Menschen bekannt (Infektionen mit Listerien sind meldepflichtig). Die meisten würden über keimbelastete Lebensmittel erfolgen, doch einige bleiben rätselhaft. Es gibt Vermutungen, dass ungeklärte Listeriose-Fälle - zum Beispiel in Seniorenheimen - über eine Kontamination von Matratzen verursacht werden, erläutert Bauer. Ob das Bett eine verborgene Infektionsquelle für Listeriose sein kann, müsste durch weitere Forschungen überprüft werden. Die Ergebnisse könnten für Hygienebeauftragte in Krankenhäusern und Altersheimen durchaus interessant sein.

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