Londoner Medikamenten-Unglück:Wissenschaftler warnten schon 2002 vor Risiken des Wirkstoffs
Archivmeldung vom 18.03.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Risiken des in London getesteten Medikaments waren nach Informationen der "Rheinischen Post" vorhersehbar. Schon im Jahr 2002 warnte eine wissenschaftliche Studie, dass Eingriffe in das Immunsystem, wie sie dieses Arzneimittel bewirkt, auch das körpereigene Gewebe angreifen können. Bei den Tests sind sechs Männer schwer erkrankt.
Die Studie
sei in dem Magazin "Clinical Immunology" eröffentlich und in der
Fachwelt außergewöhnlich häufig zitiert worden, berichtet die
Zeitung. "Ich frage mich, warum trotz dieses bekannten Risikos die
Studie beantragt und durch die britische Ethikkommission und die
Behörde genehmigt wurde", kritisierte der CDU-Gesundheitspolitiker
Hubert Hüppe. "Ich frage mich, ob die Versuchspersonen über dieses
Risiko aufgeklärt wurden und trotzdem eingewilligt haben", sagte
Hüppe der "Rheinischen Post". Der Arzt Michael Stoeter,
hauptamtlicher Mitarbeiter der Landes-Ethik-Kommission Berlin, hält
es aus fachlicher Sicht für plausibel, dass die Testpersonen in
London genau an den Nebenwirkungen leiden, vor denen die Wissenschaft
gewarnt hatte. "Die Tatsache, dass es zum Versagen der Organe
gekommen ist, spricht dafür, dass das Medikament das körpereigene
Gewebe angegriffen hat." Bewiesen sei dieser Zusammenhang allerdings
noch nicht. Zu dem konkreten Fall wollte er sich mit Hinweis auf das
Dienstgeheimnis nicht äußern, grundsätzlich aber sieht er die
Entwicklung in der pharmazeutischen Forschung kritisch: "Viele
Hersteller entfernen sich immer mehr von dem Prinzip, einen Schritt
nach dem anderen zu tun." Aus Kostengründen würden die Verfahren
häufig beschleunigt. Doch gerade bei der Erstanwendung eines
Medikaments müsse man sich sehr viel Zeit lassen. Stoeter verwies auf
die grundsätzliche Verantwortung der Pharmaproduzenten. Sie müssten
mit den Risiken sorgfältig umgehen: "Wenn der Hersteller Risiken
nicht angibt, hat die prüfende Stelle ein Problem. Und der Hersteller
handelt gesetzwidrig."
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post