Mit Atomuhren das Erdinnere vermessen
Archivmeldung vom 13.11.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUltrapräzise portable Atomuhren stehen kurz vor dem Durchbruch. Bald kann mit Hilfe von Atomuhren der neuesten Generation das Erdinnere kartiert werden. Das zeigt ein internationales Team, darunter Astrophysiker der Universität Zürich.
Erzlagerstätten oder verborgene Wasservorkommen im Innern der Erde von der Oberfläche aus identifizieren? Ultrapräzise portable Atomuhren werden mithelfen, dass dies in den nächsten Jahren verwirklicht wird. Davon ist ein internationales Team um die Astrophysiker Philippe Jetzer und Ruxandra Bondarescu von der Universität Zürich überzeugt. Wie die Wissenschaftler zeigen, haben diese Atomuhren jetzt das erforderliche Maß an Präzision erreicht, um für geophysikalische Vermessungszwecke eingesetzt werden zu können. Neben der direkten Messung des Geoids – der wahren physikalischen Form der Erde – können solche Atomuhren in Zukunft für die Erkundung des Erdinnern eingesetzt werden.
Geoid bestimmen mit Hilfe der Relativitätstheorie
Heute kann das Geoid der Erde – der Fläche, auf der das gleiche Erdanziehungspotential herrscht – nur indirekt erschlossen werden. Ausgangswert für die Berechnungen bildet die Erdanziehung an der Oberfläche der Ozeane. Um das Geoid im Bereich der Kontinente zu berechnen, werden die relativen Abweichungen der Satellitenumlaufbahnen von der Ideallinie herangezogen und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Höhe über Meer des überflogenen Orts aufwändig umgerechnet. Die verfahrensabhängigen Unsicherheiten sind dabei groß. Die geringe geografische Auflösung von ca. 100 Kilometern bringt zusätzliche Unschärfe in die Resultate.
Die Bestimmung des Geoids mit Hilfe von Atomuhren basiert auf Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie und wird seit bald dreissig Jahren theoretisch diskutiert. Die Idee ist, dass Uhren, die sich in verschiedenen Distanzen zu einem massiven Körper und dessen Gravitationsfeld befinden, unterschiedlich schnell ticken. Je näher die Uhr beim Körper ist, desto langsamer läuft sie. Der Gangunterschied der beiden Uhren ist allerdings so gering, dass es bislang nicht möglich gewesen ist, die postulierte Zeitdifferenz tatsächlich zu messen. «Die ultrapräzisen Atomuhren der neusten Generation können die Zeitdifferenz zweier dreißig Zentimeter übereinander positionierter Uhren effektiv messen», erläutert Bondarescu und fügt an: «Damit rückt die Vermessung des Geoids der Erde in greifbare Nähe.»
Verlauf tektonischer Platten kartieren
Gemäss Bondarescu wird für die Bestimmung des Geoids eine ultrapräzise Atomuhr auf Meereshöhe platziert, d.h. auf der exakten Höhe des Geoids. Eine zweite solche Atomuhr wird an einen beliebigen Punkt auf dem Festland gebracht und mit der ersten Uhr über ein Glasfaserkabel synchronisiert. Die zweite Uhr wird langsamer oder schneller laufen – je nachdem, ob sie sich unter oder über dem Geoid befindet. Anhand der exakten Höhe über Meer des Messpunktes und der festgestellten Gangunterschiede sind Geophysiker anschließend in der Lage, Aussagen über die Beschaffenheit des Untergrundes zu machen. Auf diese Weise kann der Verlauf tektonischer Platten, unterirdischer Wasservorkommen oder Erzlagerstätten kartiert werden.
Kartierungen bis in große Tiefen möglich
Kartierungen sind grundsätzlich bis in sehr grosse Tiefen möglich, vorausgesetzt die zu messende Struktur im Erdinnern und ihr Dichteunterschied zum Umgebungsmaterial sind ausreichend gross. Wie die Wissenschaftler numerisch aufzeigen, kann mittels ultrapräziser Atomuhren eine Struktur mit einer Ausdehnung von nur 1,5 Kilometern Durchmesser und einer geringfügigen Dichteanomalie von zwanzig Prozent in einer Tiefe von zwei Kilometern detekiert werden.
Zurzeit funktionieren ultrapräzise Atomuhren nur in Labors, d.h. sie sind nicht transportierbar und können entsprechend nicht für Messungen im Feld eingesetzt werden. Doch dies wird sich in den nächsten Jahren ändern: Bereits heute arbeiten verschiedene Unternehmen und Forschungsinstitute, darunter auch das in Neuchâtel ansässige Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique CSEM, an der Entwicklung von portablen ultrapräzisen Atomuhren. «Frühestens 2022 wird eine solch ultrapräzise portable Atomuhr an Bord eines ESA-Satelliten ins All fliegen», sagt Prof. Philippe Jetzer, Schweizer Delegierter der STE-Quest-Satellitenmission, deren Ziel es ist, die allgemeine Relativitätstheorie sehr genau zu prüfen. Bereits 2014 oder 2015 soll das «Atomic Clock Ensemble in Space ACES» zur Internationalen Raumstation ISS gebracht werden. ACES ist ein erster Prototyp, der allerdings noch nicht die Präzision von STE-QUEST hat.
Quelle: Universität Zürich (idw)