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Gewaltbereite Jugendgangs auch in der "guten alten Zeit"

Archivmeldung vom 01.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Junge Schlägerbanden sind kein Phänomen der neuesten Zeit - sie existierten mindestens seit dem 19. Jahrhundert

"Zu meiner Zeit gab es das nicht" - sagen ältere Menschen gern, wenn die Rede auf randalierende Jugendliche kommt. Gab es doch - sagt jetzt ein britischer Forscher - und zwar schon länger, als die heutigen Senioren überhaupt zurückdenken können. Schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts lassen sich rivalisierende Jugendgangs in den Industriestädten Manchester und Liverpool nachweisen, berichtet der Forscher nach der Analyse von Polizeiberichten, Zeitungsartikeln und anderem Archivmaterial. über rivalisierende Jugendgangs in Manchester Genau wie heute gehörte auch damals schon ein bestimmter Kleidungsstil zu den Jugendgangs. Markante Kennzeichen waren Hüfthosen mit weitem Schlag und schief sitzende Kappen, heißt es in dem soeben erschienenen Buch "The Gangs of Manchester". Ähnliche Banden seien mindestens auch aus St. Petersburg und Paris bekannt 

"Insgesamt waren die Manchester-Gangs motiviert durch die Lust an Kampf und durch den Status, den sie dadurch bekamen", schreibt Andrew Davies von der University of Liverpool. "In Liverpool hingegen, wo die Jugendarbeitslosigkeit sehr viel höher war als in Manchester, bildeten sich eher Gangs heraus, die auf Raubzüge in den Straßen aus waren. Territoriale Kämpfe wie bei den Manchester-Gangs gab es hier offenbar seltener." Davies brauchte rund 15 Jahre, um die weit verstreuten Archivmaterialien ab rund 1870 zusammenzutragen: "Durch das Zusammenfügen von Presseberichten, Gefängnisberichten, Polizei- und Gerichtsprotokollen erhalten wir ein reales Bild von dem Leben, wie es sich für junge Leute darstellte, die das neue, jetzt obligatorische Schulsystem durchliefen und dann zur Arbeit in die Fabriken gingen." 

Meist ging es bei den Kämpfen zwischen verfeindeten Jugendgangs, die auch mit Waffen wie Messern ausgetragen wurden, um territoriale Gewinne. Die wichtigsten Territorien waren dabei die "Music Halls", die man sich als Vorläufer der heutigen Discos vorstellen kann. Die Herrschaft über eine Music Hall zu gewinnen, war eines der wichtigsten Ziele der Jugendgangs. Jede Gang, zu der übrigens auch einige Mädchen gehörten, verstand sich dabei als ein starker Verband, der meistens auch einen identitätsstiftenden Namen hatte. Einer der bekanntesten Straßenkämpfer jener Zeit, William Brooks, gehörte etwa zu den Greengate Scuttlers. Manchmal orientierten sich die Jugendlichen in ihrer Namensgebung aber auch an Ländern, die gerade miteinander Krieg führten. So ließen sich manche Gangs in Manchester 1877-78 von dem damals gerade stattfindenden russisch-türkischen Krieg inspirieren und nannten sich "Russen" oder "Türken". In der Zeit des deutsch-französischen Krieges von 1870-71 nannten sich protestantische Gangs in Manchester "Preußen" und katholische Gangs "Franzosen". Ähnliche Erscheinungen von festen Gangs mit identitätsstiftenden Namen kenne man auch aus St. Petersburg und Paris um 1900, so Davies. 

Der Zeitraum dieser Berichte ist als "Viktorianisches Zeitalter" benannt, weil Königin Viktorie ein Menschenalter lang, von 1837 bis 1901, das britische Empire regierte. Damals erlebte die dortige Mittel- und die Oberschicht eine wirtschaftliche Blüte, denn das Empire befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Allerdings machten Mittel- und Oberschicht zusammen nur etwa ein Drittel der Gesellschaft aus. Zwei Drittel der damaligen britischen Gesellschaft gehörten der Unterschicht an.

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