Die Sprache der Neuronen verstehen
Archivmeldung vom 09.10.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDr. Tatiana Engel (27) erhält den Nachwuchswissenschaftlerinnen-Preis des Forschungsverbundes Berlin 2007. Die Jury des FVB zeichnet damit ihre herausragende Dissertation aus, die im Grenzgebiet zwischen statistischer Physik und Neurowissenschaft angesiedelt ist. In ihrer Doktorarbeit, vorgelegt an der Humboldt-Universität zu Berlin und mit summa cum laude bewertet, befasst sich die Preisträgerin mit der Signalübermittlung im Gehirn.
Neuronen "feuern" elektrische Ladungen ab und kommunizieren auf diese
Weise in einem immensen Netzwerk. Zwar sind moderne Bild-gebende
Verfahren mittlerweile in der Lage, solche Vorgänge sichtbar zu machen,
doch die Interpretation der Daten ist ausgesprochen schwierig. Denn die
Neuronen feuern sozusagen ständig; mal mehr, mal weniger. Was davon ist
"Rauschen" und was Signal?
An dieser Frage setzt die
Dissertation mit einer mathematischen Analyse an. Der Titel der Arbeit
lautet "Firing Statistics in Neurons as Non-Markovian First Passage
Time Problem". Tatiana Engel gelang es dabei, neue Methoden zur
Auswertung von Aktivitätsmustern - Spike-Statistiken - im Gehirn
herzuleiten. Unter Spikes verstehen die Experten die Zacken einer
Kurve, die sich aus der gemessenen elektrischen Aktivität ergibt.
Verstünde man, aus den Spikes zu lesen, wann Signale gegeben werden und
wann nicht, so wäre das ein wichtiger Schritt zur Entschlüsselung der
Sprache der Neuronen. Tatiana Engels Dissertation hilft nun genau
dabei. Die von der gebürtigen Russin entwickelten stochastischen
Verfahren helfen, die Signale aus dem Hirn besser als bisher zu
interpretieren. Tatiana Engel konnte ihre Ergebnisse bereits mit Daten
aus Versuchen an Ratten abgleichen. Die Resultate waren beeindruckend.
Das
überzeugte nicht nur den Betreuer der Doktorarbeit, Prof. Lutz
Schimansky-Geier, der die Dissertation mit summa cum laude bewertete,
sondern auch die Jury des Lise-Meitner-Preises. Diese Auszeichnung
vergibt die Vereinigung der Freunde und Förderer des Instituts für
Physik regelmäßig für herausragende Abschlussarbeiten des jeweils
letzten Studienjahres. Auch Prof. Anton Bovier aus dem
Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) im
Forschungsverbund Berlin zeigte sich von Tatiana Engels Dissertation
beeindruckt. In seinem Gutachten schreibt er, die Wissenschaftlerin
verbinde "in vorbildlicher Weise Theorie und Anwendung". Der weite
Bogen von mathematischer Analyse bis zum Experiment sei für eine
Doktorarbeit ungewöhnlich. Bovier: "Ich halte die Dissertation für
exzellent."
Quelle: Pressemitteilung Forschungsverbund Berlin e.V.