Aus Bildausschnitten das Ganze erkennen und nachbilden
Archivmeldung vom 07.05.2010
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEgal ob der Henkel links oder hinten steht – ein Mensch erkennt eine Tasse sofort. Computern oder Robotern muss man erst langwierig beibringen, was eine Tasse ausmacht und wie sie zu greifen ist, ohne sie zu zerstören. Tassen sind – bei aller Problematik – ein einfaches Beispiel für Bilderkennung, -interpretation und -verarbeitung. Die Aufgabenbreite der digitalen Bildverarbeitung reicht von dreidimensionalen Stadtmodellen bis hin zur Auswertung von Satellitendaten.
Auf diesem Feld der Bildverarbeitung „liegt in Thüringen sowohl in Forschung als auch in der Industrie eine große Kompetenz vor“, ist sich Prof. Dr. Joachim Denzler von der Universität Jena sicher. Deutlich wird dies auch an der neuen Graduiertenschule „Bildverarbeitung und Bildinterpretation“, die das Land Thüringen 2009 genehmigt hat und deren zwölf Doktorandenstellen in den nächsten drei Jahren mit insgesamt rd. 1,1 Mio. Euro aus dem ProExzellenz-Programm gefördert werden. Heute wird die Graduiertenschule mit einem Auftaktworkshop an der TU Ilmenau, die den Sprecher stellt, eröffnet. Neben sieben Ilmenauer Fachgebieten sind auch das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik in Jena sowie die Friedrich-Schiller-Universität mit zwei Projekten beteiligt.
Einer der beiden neuen Doktoranden, die durch die moderne Graduiertenschule an der Universität gefördert werden, ist Björn Fröhlich. Der 25-jährige Informatiker arbeitet an Denzlers Lehrstuhl für Digitale Bildverarbeitung. Er soll in den nächsten drei Jahren grundlegende Erkenntnisse und Verfahren dazu gewinnen, wie Inhalte in Bildern in einem komplexen Zusammenhang vom Rechner erkannt werden können. Dazu ist es notwendig, Objekte genau zu lokalisieren und zu klassifizieren. Am einfachen Beispiel des Bildes einer Kuh erläutert er das Problem: Der Rechner muss den Hintergrund erkennen und Wiese sowie Himmel ausschließen. Schließlich muss der Computer lernen, was eine Kuh ausmacht, um sie auf verschiedenen Bildern, auch mit mehreren Tieren, Bäumen und Häusern zu erkennen. Am Ende soll die Kuh möglichst als ein einziges Objekt erkannt werden. „Dies ist für den Menschen recht einfach“, sagt Fröhlich, weist aber darauf hin, „dass selbst wir ein Problem haben, die Kuh zu erkennen, wenn sie etwa an der Decke hängt oder in einem ungewohnten Kontext auftritt“. Diesen Kontext will Fröhlich dem Computer beibringen. „Die Maschine soll dasselbe Niveau erreichen wie der Mensch“, benennt der Jenaer Informatiker das Ziel seiner Forschungen. Dies soll globale Zusammenhänge erfassen, die im Bild modelliert werden. Der Computer soll auch aus einem Bildausschnitt das Ganze erkennen – wissenschaftlich als „semantische Segmentierung“ bezeichnet. Bisher liegen die Bilderkennungsraten bei rd. 36 bis 37 Prozent, sagt Fröhlich und ist sich sicher, dass „das Doppelte möglich wäre“.
Um die Anwendung intelligenter Bildverarbeitungsmethoden geht es auch im zweiten Teilprojekt der Uni Jena, das am Lehrstuhl für Fernerkundung angesiedelt ist. „Wir analysieren räumlich hochgenaue Satellitendaten von urbanen Gebieten“, erläutert Dr. Sören Hese. Ziel sei es, anhand von Satellitenaufnahmen städtische Strukturelemente – wie Wohnhäuser, Bäume und Straßenelemente – bestimmten Landnutzungstypen wie Grünflächen, Industriegebieten oder Wohngebieten automatisch zuzuordnen. Daraus lassen sich Informationen über die Eigenschaften und die Nutzung einzelner Stadtgebiete gewinnen, die für Stadtplaner interessant sind: beispielsweise wie sich bestimmte Nutzungstypen auf das Stadtklima auswirken.
Im Rahmen des Projekts, für das der Doktorand noch gesucht wird, sollen Bildinterpretationsverfahren anhand exemplarischer Satellitendaten deutscher Großstädte wie Berlin, Hamburg und Köln getestet, verfeinert und übertragbar gemacht werden. „Das wird eine methodisch äußerst anspruchsvolle Arbeit“, ist Dr. Hese überzeugt. „Denn es gibt eine Reihe von zu lösenden Problemen.“ So seien Satellitenaufnahmen und 3-D-Modelle von städtischen Gebieten oftmals nicht einfach automatisch auszuwerten, wenn etwa Gebäude durch hohe Bäume verdeckt werden oder Häuser Schlagschatten werfen, die andere Bereiche unkenntlich machen. „Durch die enge Kooperation mit Bildverarbeitungsexperten aus den anderen Arbeitsgruppen der Graduiertenschule erwarten wir in dieser Hinsicht deutliche Synergieeffekte“, betont Hese, der das Teilprojekt leitet.
„Langfristig kann diese Graduiertenschule eine Keimzelle für einen Verbund aus Optik, Photonik und Bildverarbeitung sein“, erhofft sich Prof. Denzler und weiß, „dass gerade die Industrie in diesen drei Bereichen einen starken Bedarf an entsprechend ausgebildeten Nachwuchskräften für Forschung und Entwicklung hat“.
Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena