Lehrer begleiten internationales Polarforschungsprojekt
Archivmeldung vom 19.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittPolarforschung auf faszinierende und unmittelbare Weise in der Schule miterleben zu können ? dies ist das Ziel eines gemeinsamen Projekts des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Den Mittelpunkt des Vorhabens bildet das internationale Antarktis-Bohrprogramm ANDRILL (Antarctic Geologic Drilling, Geologisches Bohren in der Antarktis), das am 23. Oktober beginnt.
Über 50 Wissenschaftler und Techniker aus Deutschland, den USA, Neuseeland und Italien werden bis Ende Dezember einen etwa 1200 Meter mächtigen Sedimentkern aus dem Meeresboden unter dem Ross-Schelfeis erbohren.
Ziel des internationalen Forschungsprojektes ANDRILL ist es, das Klima der letzten 50 Millionen Jahre und dabei insbesondere die Ausdehnung des Schelfeises in den jeweiligen Kalt- und Warmzeiten zu rekonstruieren. Es gab in der Vergangenheit Phasen, in denen es auch in der Antarktis weitaus wärmer war als heute. "Nur wenn wir wissen, wie stark das Eis in der Antarktis damals zurückgegangen ist, können wir abschätzen, welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Meeresspiegel in Zukunft haben wird", erklärt Dr. Frank Niessen, Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut und deutscher Vertreter im ANDRILL-Projektteam. Die aktuelle Polarforschung auch in den Schulunterricht zu integrieren, ist neben der wissenschaftlichen Erkenntnis ein zweites Ziel von ANDRILL.
Meeressedimente als Klimaarchiv
In den Sedimentschichten des Meeresbodens sind zahlreiche Informationen über die Klima- und Umweltbedingungen der letzten Jahrmillionen enthalten. Die Wissenschaftler können mit diesen Proben einen wesentlich größeren Zeitraum der antarktischen Klima- und Eisbedeckungsverhältnisse zurückverfolgen als es mit Eiskernen möglich ist. Wie hat sich das Eisschild der Antarktis gebildet? Wie groß war die maximale Ausdehnung des Eises in der Vergangenheit? Wann und warum war sie wesentlich kleiner als heute? Wenn man Temperatur und Eisbedeckung in einen Zusammenhang bringen kann, wird dies auch eine Vorhersage über das Ausmaß des Eisverlustes und damit des Meeresspiegelanstiegs durch den derzeitigen Klimawandel ermöglichen. Das Alfred-Wegener-Institut ist mit zwei Arbeitsgruppen vor Ort, um die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Bohrkerne zu messen. "Besonders interessant wird es, wenn Ablagerungen erbohrt werden, die auf eine erheblich kleinere Ausdehnung des Schelfeises schließen lassen. Das eröffnet Einblicke in Situationen, wie wir sie in Zukunft mit wärmeren Klimabedingungen zu erwarten haben", sagt Dr. Gerhard Kuhn vom Alfred-Wegener-Institut. Er wird die chemische Zusammensetzung des Sedimentkerns schon in der Antarktis analysieren.
Die Bohrung ist eine große technische Herausforderung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Polarforschung wird ein Sedimentkern vom Schelfeis aus erbohrt. Als Schelfeis bezeichnet man das Eis, das zwar mit dem landgebundenen Eis verbunden ist aber auf dem Wasser schwimmt. Es ist an der geplanten Bohrstelle etwa 80 Meter dick. Dieses Eis muss zunächst durchschmolzen werden, bevor der Bohrer bis zum etwa 900 Meter tiefen Meeresboden herabgelassen wird. Die Forscher wissen aus Voruntersuchungen, dass sie an dieser Stelle einen rund 1200 Meter langen Sedimentkern aus dem Untergrund erbohren können.
Von deutscher Seite wird das Projekt vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung finanziell unterstützt und koordiniert. Außerdem sind die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover sowie die Universitäten Jena und Göttingen beteiligt. ANDRILL ist eines von über 200 Forschungsprojekten, die im Rahmen des Internationalen Polarjahres 2007/2008 stattfinden. Die Wissenschaftler wollen mit dieser Initiative ihre Kräfte bündeln und in groß angelegten Messkampagnen und Feldarbeiten die klimasensiblen Polargebiete untersuchen. Die breite Öffentlichkeit in diesen Prozess mit einzubeziehen und über die bevorstehenden Veränderungen in unserer Umwelt zu informieren, ist dabei ein wichtiges Anliegen der Wissenschaft.
Forschung live ins Klassenzimmer
Neben dem rein wissenschaftlichen Aspekt verfolgt das Projekt aber auch noch ein weiteres Ziel: Die Vermittlung der Bedeutung der Polarforschung für das Verständnis des globalen Klimas in der Öffentlichkeit und in Schulen. Im Rahmen des ARISE-Projekts (ANDRILL Research Immersion for Science Educators; Einbinden von Lehrern in das ANDRILL-Projekt) nehmen an dem Forschungsaufenthalt in der Antarktis international sechs Fachdidaktiker teil, von deutscher Seite Prof. Dr. Alexander Siegmund von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Bei dem Projekt sollen unter anderem über eine eigens eingerichtete Homepage (http://www.andrill.org/iceberg) sowie in Kooperation mit verschiedenen Schulen die vielfältigen Aspekte der Polar- und Klimaforschung anschaulich vermittelt und aus der Antarktis aktuell über die Forschungsarbeiten berichtet werden.
In regelmäßigen Internet-Chats mit der Antarktis können sich Schulklassen live mit Alexander Siegmund über die Polarforschung und das Leben als Wissenschaftler an einer Forschungsstation austauschen. "Als Lehrer freue ich mich ganz besonders, meine Schülerinnen und Schüler hautnah an die Forschung heranführen zu können. Ich möchte die jungen Menschen für die Polargebiete begeistern und ihnen auf diese Weise die aktuellen Fragen des Klimawandels nahe bringen", sagt Eberhard Kern, Geographie-Lehrer am Fürstenberg-Gymnasium in Donaueschingen.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.