Forscher warnt vor „seltsamer Materie“
Archivmeldung vom 10.11.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAm CERN in Genf hat eine neue Phase des Urknall-Experiments begonnen. An Stelle von leichten Protonen haben die Physiker jetzt das Kaliber gewechselt und lassen Bleikerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit kollidieren. Die dabei auf kleinstem Raum entstehende Energie ist so gewaltig, dass kurzfristig Temperaturen entstehen, die jene im Zentrum der Sonne um den Faktor eine Million übertreffen.
Was erhoffen sich die Forscher von diesem Vorstoß in völlig unbekannte Dimensionen? Zunächst ist damit zu rechnen, dass bei diesen unvorstellbaren Temperaturen sogar die in Bleikernen enthaltenen Protonen und Neutronen schmelzen und ein dichtes Plasma aus so genannten Quarks und Gluonen entsteht, den Bausteinen von Protonen und Neutronen entsteht. Im Laufe der kommenden Wochen sollen diese Kollisionen mit ständig steigenden Energien bis zum 6. Dezember durchgeführt werden.
Kritiker warnen indessen vor unabsehbaren Risiken, da es sich um ein völlig neues Terrain handelt. Zum einen, so die Befürchtung, könnte sich spontan ein kleines schwarzes Loch bilden, das sich nicht mehr beherrschen lässt. Zum anderen könnten auch so genannte Strangelets entstehen. Strangelets verkörpern einen vorhergesagten seltsamen Zustand der Materie. Dieser könnte durch das Umgruppieren von Quarks unter extremen Bedingungen herbeigeführt werden. Falls Strangelets stabil sind, so die Theorie, könnte es zu einer verheerenden Kettenreaktion kommen, bei der jegliche andere Materie allein durch den direkten Kontakt in seltsame Materie umgewandelt würde.
Im schlimmsten Fall bliebe von unserem blauen Planeten eine Strangelet-Kugel mit einem Durchmesser von nur 20 Kilometern übrig. Der amerikanische Physik-Nobelpreisträger Professor Frank Wilczek hält das Strangelet-Risiko sogar für größer als die Gefahr, die von einem kleinen schwarzen Loch ausgeht. Für Letzteres hatte der bekannte Tübinger Chaosforscher Professor Otto E. Rössler unter den Bedingungen am LHC bereits vor zwei Jahren eine Entstehungswahrscheinlichkeit von 15 Prozent berechnet.
Quelle: Rolf Froböse