Romanistin Annegret Bollée wertet Kreolisch auf
Archivmeldung vom 23.10.2018
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtKreolsprachen galten lange als minderwertig. Entstanden sind sie zur Kolonialzeit, als Sklaven aus verschiedenen Teilen Afrikas in die neuen Kolonien verschleppt wurden. Sie verständigten sich mit vereinfachten Formen der Sprachen der Kolonialherren, aus denen sich dann allmählich die Kreolsprachen entwickelt haben.
Prof. Dr. Annegret Bollée, ehemalige Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft und Mediävistik an der Universität Bamberg, beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Kreolischen. Die sichtbare Krönung ihres Lebenswerks ist die Vollendung eines achtbändigen Etymologischen Wörterbuchs der französischen Kreolsprachen, dessen letzte Bände im Sommer 2018 erschienen sind. „Noch wichtiger ist mir persönlich, dass ich die Kreolsprachen im Bewusstsein ihrer Sprecher aufwerten konnte“, meint Annegret Bollée lächelnd.
Als sie für ihre Habilitation in den 1970ern die Seychellen besuchte, lernten die Schulkinder auf Englisch Lesen und Schreiben – nicht auf Kreol, ihrer Muttersprache. Dort hieß es früher, dass Kreol keine Sprache sei, weil es keine Grammatik habe. Die Sprachwissenschaftlerin entwickelte eine Orthographie fürs Seychellenkreol, die an Schulen eingeführt und bis heute in leicht angepasster Form im Unterricht verwendet wird, außerdem verfasste sie eine Grammatik. „Ich habe bewiesen, dass es eine vollwertige Sprache mit Grammatik ist“, erzählt Annegret Bollée. Seychellenkreol ist jetzt neben Englisch und Französisch die offizielle Amtssprache auf den Seychellen. Dort wurde Annegret Bollée im Jahr 2017 für ihren wertvollen Beitrag zur Entwicklung und Bewahrung der kreolischen Sprache und Kultur mit einer Trophäe aus Glas geehrt.
Auf wissenschaftlicher Ebene sieht die Forscherin das Etymologische Wörterbuch der französischen Kreolsprachen als ihr Lebenswerk an. Mit der Arbeit, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde, hat sie 1980 begonnen. Zuletzt leitete sie es gemeinsam mit Prof. Dr. Ingrid Neumann-Holzschuh von der Universität Regensburg. „Mit unserem Wörterbuch erforschen wir auch das Französische der Kolonialzeit und die heutigen Varietäten des Französischen in Amerika“, erklärt Annegret Bollée. „Deshalb ist es für die Wissenschaft so ergiebig: Wir haben damit Grundlagenforschung geleistet.“ Aus den gedruckten Bänden entsteht gerade eine digitale Datenbank, die etwa in einem halben Jahr fertiggestellt wird.
Annegret Bollée studierte Romanistik und Anglistik in Hamburg, Aix-en-Provence und Bonn, wo sie 1969 auch promovierte. 1976 wurde sie an der Universität zu Köln in der Romanischen Philologie habilitiert. Von 1978 bis 2002 hatte sie den Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft und Mediävistik an der Universität Bamberg inne.
Quelle: Otto-Friedrich-Universität Bamberg (idw)