Warum zerbrach Gondwana? - Geophysiker aus Kiel starten Expedition zur einsamsten Insel der Welt
Archivmeldung vom 13.01.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBis heute sind viele Fragen zur Entstehung der Inselgruppe Tristan da Cunha offen. Dabei ist sie ein Schlüssel zum Verständnis grundlegender Prozesse der Plat-tentektonik. Kieler Meeresforscher wollen mit dem Forschungsschiff MARIA S. MERIAN jetzt im Südatlantik Antworten finden.
Ein einzelner Vulkankegel, knapp 12 Kilometer im Durchmesser, auf dem 300 Menschen 2500 Ki-lometer entfernt vom nächsten besiedelten Land leben: Das ist die Insel Tristan da Cunha. Sie liegt mitten im Südatlantik und gilt als abgelegenste bewohnte Insel der Erde. Doch nicht nur des-halb übt sie mit ihren noch kleineren, unbewohnten Nachbarinseln eine große Faszination aus. Die Entstehung des Archipels steht in engem Zusammenhang mit dem Aufbrechen des Superkonti-nents Gondwana vor 120 Millionen Jahren und der darauf folgenden Entwicklung des Südatlan-tiks. Doch welche Prozesse damals genau abliefen, ist in der Forschung umstritten. „Obwohl die Region wichtig für das Verständnis der Plattentektonik insgesamt ist, gibt es bisher viel zu wenige geophysikalische Daten von dort“, sagt Dr. Marion Jegen vom GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Sie leitet von Mitte Januar bis Mitte Februar 2012 eine Expedition des deut-schen Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN im Südatlantik, deren Ziel es ist, neue Daten zu er-heben und so einige Fragen zur Entstehung von Tristan da Cunha zu beantworten.
Aktuell beherrschen zwei Theorien die wissenschaftliche Diskussion. Nach der klassischen Plume-Theorie handelt es sich bei Tristan da Cunha um einen vulkanischen Hotspot. Dieser Hotspot ge-höre mit zu den Auslösern für das Aufbrechen von Gondwana, so die Theorie. Die beiden Bruchstücke Südamerika und Afrika drifteten in den folgenden Jahrmillionen immer weiter ausein-ander, zwischen ihnen bildete sich der Südatlantik. Auf den neu entstandenen Ozeanböden hinter-ließ der Hotspot eine Spur vulkanischen Materials. Diese Spur zieht sich heute als Unterwasser-gebirge namens Walfisch-Rücken von der Inselgruppe bis zur Küste Namibias. „Das Problem an dieser Theorie ist, dass die Inselgruppe Tristan da Cunha bis heute nicht zweifelsfrei als Hotspot identifiziert werden konnte“, erklärt Dr. Jegen. Eine zweite Theorie geht deshalb davon aus, dass es sich bei Tristan da Cunha eher um eine flachere Anomalie handelt, die nicht Ursache, sondern Folge des Aufbruchs von Gondwana war.
Um die Theorien zu überprüfen, werden die Wissenschaftler an Bord der MARIA S. MERIAN um-fangreiches geophysikalisches Datenmaterial in der Region erheben. Dazu gehört, den Meeres-bodens mit Fächerecholoten genau zu kartieren. Außerdem nutzen die Forscher tiefseetaugliche Messgeräte, die feinste Veränderungen von elektromagnetischen Feldern beziehungsweise der Schwerkraft sowie Erschütterungen im Meeresboden präzise messen können. „Diese Daten las-sen Rückschlüsse auf Art und Aufbau des Meeresbodens und der Lithosphäre, also der Erdau-ßenhaut der Erde, zu“, erklärt Dr. Jegen.
Nebenbei leistet das deutsche Forschungsschiff auch logistische Unterstützung für die sonst recht isolierten Einwohner von Tristan da Cunha. Die MARIA S. MERIAN bringt Post sowie drei von der britischen Regierung entsandte Ingenieure, die die von Winterstürmen beschädigten Hafenanla-gen reparieren sollen, zur Inselsiedlung „Edinburgh of the Seven Seas“. „Tristan wird nur etwa alle zwei Monate, meistens von einem Fischerboot, angelaufen. Das offizielle Postschiff kommt nur zweimal im Jahr. Deshalb ist die britische Inselverwaltung froh über jedes weitere Schiff, das die Insel anläuft“, erklärt Dr. Jegen, „und wir helfen natürlich gerne.“
Quelle: GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (idw)