Biomasse statt Erdöl - 50 Millionen Euro für einzigartiges Forschungszentrum am Chemiestandort Leuna
Archivmeldung vom 04.04.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittStroh, Holz, Mikroalgen und viele weitere nachwachsende Rohstoffe können Erdöl ersetzen. Das Land Sachsen-Anhalt, der Bund und die Fraunhofer-Gesellschaft planen ein Forschungszentrum in Leuna, das Unternehmen ermöglichen soll, chemisch-biotechnologische Verfahren vom Labor in die technische Anwendung zu bringen.
Die Minister für Finanzen sowie Wirtschaft und Arbeit des Landes
Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn und Dr. Reiner Haseloff, sowie Prof.
Dr. Marion Schick, Vorstand Personal und Recht der
Fraunhofer-Gesellschaft, haben gestern in der Lutherstadt Wittenberg den
Aufbau des Chemisch-Biotechnologischen Prozesszentrums CBP angekündigt.
Am Chemiestandort Leuna im mitteldeutschen Chemiedreieck sollen das CBP
und eine Fraunhofer-Projektgruppe entstehen.
Das begehrte Mineralöl ist Ausgangsstoff für viele Produkte wie
Kunststoffe, Lacke, Waschmittel, Klebstoffe oder Kosmetik. Weltweit
arbeiten Chemieunternehmen daran, den Rohstoff Erdöl durch
nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Schon heute werden viele Produkte
aus Biomasse hergestellt. Dazu sind ausgefeilte Verfahren notwendig.
Viele Inhaltsstoffe der Pflanzen müssen beispielsweise durch Enzyme
chemisch verändert werden, bevor sie sich für eine Weiterverarbeitung
eignen. Die Pflanzenstoffe müssen jedoch in konstanter Qualität und zu
günstigen Preisen verfügbar sein, um im industriellen Maßstab als
Rohstoffquelle dienen zu können. Neue Verfahren sollen dabei ohne
Lebens- und Futtermittel auskommen.
"Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe in industriellen Dimensionen ist
selbst für große Unternehmen ein erheblicher finanzieller und
technologischer Kraftakt. Viele kleine und mittlere Unternehmen
scheitern, obwohl sie im Labor bereits attraktive Produkte erfolgreich
entwickelt haben. Mit der Schaffung des CBP unterstützen wir daher
gezielt diesen kritischen Schritt auf dem Weg in die industrielle
Anwendung innovativer Produkte und Verfahren unter Nutzung der
industriellen Biotechnologie. Dadurch stärken wir nicht nur die
regionale Kompetenz und schaffen die Grundlage für neue Arbeitplätze in
der Region, sondern setzen auch ein Zeichen mit nationaler
Signalwirkung", erläuterte Haseloff die herausragende Bedeutung des CBP
für das Land Sachsen-Anhalt.
"Das neue Chemisch-Biotechnologische Prozesszentrum CBP schließt die
Lücke zwischen Labor und industrieller Umsetzung", bestätigt Marion
Schick. "Das Zentrum in Leuna soll allen Kooperationspartnern für
Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehen. Die neue Projektgruppe
ist eng mit den Fraunhofer-Instituten vernetzt und kann auf die
Kompetenzen der Fraunhofer-Kolleginnen und Kollegen zurückgreifen."
Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Grenzflächen und
Bioverfahrenstechnik IGB und für Chemische Technologie ICT planen das
CPB gemeinsam mit der InfraLeuna GmbH, der
Standortbetreibergesellschaft des Chemiestandorts Leuna. Mit diesem
sehr flexibel einsetzbaren Bioraffineriekonzept bieten sich neue
Möglichkeiten, um in Zukunft biologische Rohstoffe verarbeiten zu
können und nach Bedarf Öle, Fette, Cellulose, stärke- oder
zuckerhaltige Rohstoffe als Ausgangsstoffe für Produkte zu gewinnen.
Durch das Engagement sollen neue, hochwertige Arbeitsplätze geschaffen
und die Ansiedlung von Biotechnologiefirmen gefördert werden. Nach der
Aufbauphase werden ca. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am CBP tätig
sein.
"Als klassischer Chemiestandort sind unsere produzierenden Unternehmen
bisher weitgehend von fossilen Rohstoffen abhängig. Mit regenerativen
Rohstoffen können wir sowohl diese Abhängigkeit als auch
CO2-Emmissionen weiter reduzieren. Das CBP ist ein wichtiger erster
Schritt in diese Richtung" sagt Andreas Hiltermann, Geschäftsführer der
InfraLeuna GmbH.
Sachsen-Anhalt wird an der Gesamtinvestition von derzeit geplanten 50
Millionen Euro einen Anteil von 20,1 Mio Euro sowie die
Anschubfinanzierung der Projektgruppe beitragen. Die restlichen Mittel
sollen durch das Engagement der Industrie, mittels Bundeszuwendungen
der Fraunhofer-Gesellschaft und im Rahmen mehrerer konkreter
Forschungsprojekte mit Unterstützung unterschiedlicher
Bundesministerien aufgebracht werden. Erste Projekte sollen von den
Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) finanziert werden. Die
Fraunhofer-Gesellschaft plant, sich mit 9,6 Mio Euro aus der
Grundfinanzierung des BMBF zu beteiligen.
Finanzminister Jens Bullerjahn erklärte in seinem Statement, dass es in
der jetzigen Finanzkrise besonders notwendig sei, die zur Verfügung
stehenden öffentlichen Mittel strategisch so einzusetzen, dass
zukunftsfähige Strukturen weiter gefördert und gefestigt werden. "Das
CBP verbindet nachhaltige Rohstoffnutzung, moderne Biotechnologie und
Chemie. Damit gehört es zu den Vorhaben, die den Standort Leuna und
damit den mitteldeutschen Raum strukturell weiter voranbringen"
Gegenwärtig planen 23 Industrieunternehmen sowie 15 Universitäten und
Forschungseinrichtungen ihre Beteiligung an den Projekten. Ihr Ziel ist
es, die Prozesse vom Rohstoff über den Biokatalysator und der
Skalierung der benötigten Verfahren zum gewünschten Produkt und in die
industrielle Umsetzung zu bringen. "Wir möchten nun die im Labor
entwickelten Verfahren und Prozesse in Größenordungen testen, die für
die Industrie relevant sind. Dazu benötigen wir die Infrastruktur und
Anlagen", erklärt Professor Thomas Hirth vom Fraunhofer-IGB. Sobald der
Fraunhofer-Senat und der Bund-Länder-Ausschuss zugestimmt haben, kann
die Forschungsarbeit losgehen.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.