Mit AIDA gegen das Müllproblem im All
Archivmeldung vom 17.04.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.04.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVor wenigen Wochen mussten drei ISS-Astronauten wegen der Gefahr einer Kollision der Raumstation mit einem ausrangierten Raketenteil in eine Notfallkapsel flüchten. Kurz davor waren zwei Satelliten kollidiert und hatten ungeheure Mengen neuen Schrotts erzeugt. Das Müllproblem im All wird immer drängender.
Immerhin sind inzwischen rund 4600 Raketen gestartet und unzählige
Satelliten ins All befördert worden. Ob es nun komplette,
funktionsunfähige Satelliten oder mikrometergroße Treibstoffreste sind
- die Mischung der unterschiedlichsten Materialien wird, sofern sie in
größerer Höhe kreist, teilweise zehntausende von Jahren im All bleiben.
Inzwischen suchen weltweit Forscher mit Hochdruck nach neuen Methoden,
um die Schrottmengen zu erfassen und die Gefahren durch die durchweg
sehr schnellen Teilchen abzuschätzen. In einem Kooperationsprojekt der
Firma etamax space GmbH, Braunschweig, mit der Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB), mehreren Instituten der TU Braunschweig sowie
weiteren Partnern wird ein zweistufiger Detektor namens AIDA (Advanced
Impact Detector Assembly)entwickelt, der in der Lage sein wird, die
kinetische Energie und die Geschwindigkeit von kleinen Weltraumteilchen
genau zu messen. Die bisherigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
wurden finanziell gefördert durch ESA/ESTEC, DLR und BMWI. Nachdem die
prinzipielle Leistungsfähigkeit des Energiedetektors erwiesen ist,
liegt der Schwerpunkt der aktuellen Arbeiten nun darin, ihn zu einem
weltraumtauglichen Messgerät weiterzuentwickeln.
Wie gefährlich ist der Müll im All? Dies möchten nicht nur die
Betreiber von Satelliten (also zum Beispiel NASA oder ESA) und die
Besatzung der ISS herausfinden, sondern auch die Versicherungen. Klar
ist es, dass schon Teilchen mit einem Durchmesser von nur einem
tausendstel Millimeter eine Gefahr darstellen können; im Falle einer
Kollision beträgt ihre Relativgeschwindigkeit immerhin 10 km/s oder
noch mehr. Und ein 1 cm großes Stück kann einen Satelliten oder die
Raumstation ISS schwer beschädigen und deren Mission beenden, wie
kürzlich der Chef des European Space Operation Centre (ESOC), Gaele
Winters, der Presse erklärte. Grund genug für ihn, darauf zu pochen,
dass sich die Europäer selbst um die Weltraumüberwachung kümmern
müssten. Denn bisher sind sie weitgehend von den USA abhängig. Beim
spektakulären Zusammenprall der beiden Satelliten im Februar musste die
ESA sich erst Daten aus den USA kommen lassen, um die Gefahren durch
die Trümmerteile einigermaßen abschätzen zu können.
Während sich Objekte von mehr etwa 10 cm Größe noch per Radarverfahren
einzeln verfolgen lassen, basiert die Gefahrenabschätzung infolge von
Einschlägen kleinerer Müllobjekte auf Modellrechnungen. Die für diese
Modelle benötigten Daten über statistische Häufigkeiten und
Verteilungen von kleinen Objekten in der Erdumgebung beruhen häufig
nicht auf echten Messungen im All. "In der Regel werden zurückgeholte
Bauteile - wie zum Beispiel alte Sonnensegel des Hubble Space Telescope
- untersucht. Man schließt aus den akkumulierten Schäden auf die
Energie und Größe, mit der die zahlreichen, kleinsten Weltraumteilchen
eingeschlagen sind", erläutert Michael Kobusch von der PTB. "Und sofern
tatsächlich schon Detektoren im All unterwegs sind, haben sie große
Schwächen. Außerdem gibt es noch viel zu wenige von ihnen, so dass nur
punktuelle Messdaten zur Verfügung stehen." Das von ESA unterstützte
Ziel der Projektpartner: Sobald die Entwicklung der leistungsfähigeren
Detektoren abgeschlossen ist, sollen sie auf möglichst vielen
Satelliten umherfliegen und so mit einem vertretbaren finanziellen
Aufwand ununterbrochen möglichst aussagekräftige Messdaten liefern.
Gute Daten liefert der neue Energiedetektor für mikrometergroße
Teilchen, das ist bereits nachgewiesen. Er ist ein kalorimetrischer
Sensor, das heißt, er misst die Wärme, die durch den Einschlag eines
schnellen Teilchens entsteht. Hauchdünne Stückchen Goldfolie, nur
wenige Mikrometer dick, erwärmen sich, sobald sie von einem
Hochgeschwindigkeitsteilchen getroffen werden. Ein darunter liegendes
Temperatursensor-Array, hergestellt am IPHT in Jena (Ansprechpartner:
Ernst Kessler), wandelt die Erwärmung des Goldplättchens in eine
elektrische Spannung um. Die Goldplättchen sind in kleinen Flächen von
jeweils nur 3,6 mm x 3,6 mm nebeneinandergesetzt und bilden ein sehr
leistungsfähiges Sensor-Array. "Das Besondere daran ist, dass es
modular aufgebaut ist und dass der Energie-Messbereich sich durch die
Wahl der Absorberfoliendicke leicht an die jeweiligen Anforderungen
einer Mission anpassen lässt", erklärt Daniel Hagedorn, der zweite an
dem Projekt beteiligte PTB-Wissenschaftler.
Bei Testmessungen am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg
wurden Hochgeschwindigkeitseinschläge mit beschleunigten
Eisenstaub-Partikeln durchgeführt. Es zeigte sich, dass das neuartige
kalorimetrische Messverfahren sehr leistungsfähig ist. Der dabei
erstmals bestimmte Wirkungsgrad der Konversion von kinetischer Energie
des einschlagenden Partikels in vom Absorber aufgenommene Wärmeenergie
beträgt ungefähr 40 %.
Aufgabe der Arbeitsgruppe um Daniel Hagedorn ist es nun, die für die
Realisierung eines weltraumtauglichen Prototypen notwendigen
Energie-Konverterfolien mit einer Präzision von wenigen Mikrometern zur
fertigen und den Projektpartnern zur Integration zur Verfügung zu
stellen. Voraussichtlich im Jahr 2010 wird der Energiedetektor fertig
sein.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.