Müde Teens werden später wahrscheinlicher kriminell
Archivmeldung vom 25.02.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittTeenager, die sich am Nachmittag schläfrig fühlen, neigen auch zu mehr antisozialem Verhalten wie Lügen, Betrügen, Stehlen und Raufen. Die gleichen Jugendlichen neigen aber auch fast eineinhalb Jahrzehnte später 4,5 Mal so häufig zu Gewaltverbrechen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der University of Pennsylvania und der University of York.
Laut dem leitenden Wissenschaftler Adrian Raine handelt es um die erste Studie, die Tagesmüdigkeit im Teenageralter mit kriminellen Verstößen 14 Jahre später in Zusammenhang bringt. Der Forscher hatte die Daten für seine Arbeit vor 39 Jahren als Teil seiner Doktorarbeit gesammelt, sie aber nie analysiert. Vor kurzem fielen ihm Querschnittuntersuchungen auf, die verschiedene Arten des Verhaltens zu einem bestimmten Zeitpunkt mit Schlaf- und Verhaltensproblemen bei Kindern analysierten. Der Forscher hob seine alten Daten aus, um zu überprüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen ihnen und illegalem Verhalten bei Erwachsenen gab.
Die zusammen mit dem Psychologen Peter Venables von der University of York durchgeführte Studie zeigt, wie schläfrig ein Kind während des Tages ist. Dafür wurden 101 Jungen im Alter von 15 Jahren aus drei Schulen im Norden von England getestet. Am Beginn und am Ende jeder Sitzung wurden die Teilnehmer ersucht, ihre Schläfrigkeit auf einer Skala von eins bis sieben zu bewerten. Die Sitzungen wurden am Nachmittag immer zwischen 13 und 15 Uhr durchgeführt. Zusätzlich wurde die Aktivität der Gehirnwellen gemessen und das durch die Reaktion auf Reize ausgelöste Schwitzen. Es liefert Hinweise darauf, wie viel Aufmerksamkeit eine Person einem über Kopfhörer eingespielten Ton schenkt.
Zusammenhang klar nachweisbar
In einem nächsten Schritt wurden Daten über antisoziales Verhalten gesammelt, sowohl aus den eigenen Angaben der Teilnehmer im Verlauf der Studie als auch von zwei oder drei Lehrern, die mit dem Teenager mindestens vier Jahre gearbeitet hatten. Raine zufolge gibt es Jugendliche, die nicht wirklich über ihr antisoziales Verhalten reden wollen. "Tatsächlich stimmten die Berichte der Schüler und Lehrer weitgehend überein und das ist durchaus nicht üblich. Oft geht es nur darum, was der Lehrer sagt, was der Elternteil sagt, was das Kind sagt - und das sind normalerweise drei ganz verschiedene Geschichten", so Raine.
Darauf aufbauend führte der Forscher eine Computersuche beim Central Criminal Records Office in London durch. Er wollte herausfinden, wer von den ursprünglichen 101 Studienteilnehmern mit 29 Jahren über eine Vorstrafe verfügte. Dabei konzentrierten sich die Forscher auf Gewaltverbrechen und Eigentumsdelikte, für welche die Teilnehmer auch verurteilt wurden. Dabei zeigte sich, dass 17 Prozent zu diesem Zeitpunkt ein Verbrechen begangen hatten. Diese Daten ergänzte der Forscher mit dem sozioökonomischen Status der Teilnehmer. Als Ergebnis konnte ein direkter Zusammenhang nachgewiesen werden.
"Führen eine niedrige soziale Schicht und frühe soziale Benachteiligung zu Müdigkeit während des Tages, die ihrerseits Unaufmerksamkeit oder Funktionsstörungen des Gehirns zur Folge haben und 14 Jahre später zu einem Verbrechen führen können? Die Antwort ist: Ja." Laut Raine handelt es sich um eine Art von Kettenreaktion, es gibt also eine signifikante Beziehung. "Schläfrigkeit während des Tages steht mit einer eingeschränkten Aufmerksamkeit in Zusammenhang. Nimmt man sie als Vertreter für eine eingeschränkte Gehirnfunktion, wird ein kriminelles Verhalten wahrscheinlicher." Eine Verallgemeinerung sei aber wie so oft gefährlich.
Quelle: www.pressetext.com/Moritz Bergmann