Forscher wollen Wasserstoff aus Mikroalgen gewinnen
Archivmeldung vom 09.08.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Grün und schleimig" - das ist die erste Assoziation vieler Menschen bei dem Gedanken an Algen. Die Pflanzen haben keinen guten Ruf. Doch besitzen sie eine Menge interessanter Eigenschaften.
So werden Algen in letzter Zeit als alternative
Energielieferanten diskutiert, aus denen zum Beispiel Biodiesel und
auch Wasserstoff gewonnen werden kann. Wissenschaftler, darunter
Forscher der Universität Münster, wollen Algen nun so verändern, dass
sie mehr Wasserstoff produzieren. Dann könnten die Algen
umweltfreundliche, wirtschaftliche Energielieferanten werden.
Zu dem Projekt "Biowasserstoffproduktion in Mikroalgen" haben sich vier
Forschergruppen zusammengeschlossen: Neben den münsterschen Forschern
um Prof. Dr. Michael Hippler vom Institut für Biochemie und
Biotechnologie der Pflanzen sind Forscher vom Max-Planck-Institut für
Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm (Potsdam), der Universität
Karlsruhe (TH) sowie - als Koordinatoren - der Universität Bielefeld
beteiligt. Das Projekt wird für die nächsten drei Jahre vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 1,8 Millionen
Euro unterstützt; rund 400.000 Euro davon gehen an die Forscher der
WWU.
Wasserstoff gilt als eine umweltfreundliche Energiequelle der Zukunft,
zum Beispiel in der Automobilindustrie - vorausgesetzt, der Wasserstoff
wird auch mit umweltschonenden Verfahren gewonnen. Die Forscher wollen
daher aus einzelligen Grünalgen (Chlamydomonas reinhardtii)
industrietaugliche Wasserstofflieferanten entwickeln, die den
Wasserstoff ohne negative Folgen für die Umwelt liefern. Die winzigen
Algen produzieren unter bestimmten Bedingungen Wasserstoff,
beispielsweise wenn Sauerstoff fehlt oder Anpassung an Schwefelmangel
nötig ist. Dann wird der Stoffwechsel der Photosynthese umgestellt, und
bei Bestrahlung mit Sonnenlicht stellen die Algen Wasserstoff her. Bei
herkömmlichen Grünalgen werden allerdings nur 0,1 Prozent der
einfallenden "Lichtteilchen" zu Wasserstoffmolekülen umgesetzt - aus
ökonomischer Sicht zu wenig. "Wenn wir die Rate auf sieben bis zehn
Prozent steigern könnten, dann wäre die Wasserstoffproduktion aus
Grünalgen auch kommerziell interessant", so Prof. Hippler.
Um die Wasserstoffproduktion zu erhöhen, verfolgen die Forscher mehrere
Ansätze. Ein Ansatzpunkt ist eine bereits existierende Zuchtlinie der
von ihnen erforschten Grünalge. Die Algen dieser Linie tragen eine
genetische Veränderung, die eine erhöhte Wasserstoffproduktion mit sich
bringt. Allerdings ist auch die Wasserstoffproduktion dieser Algensorte
noch weit vom gewünschten Wert entfernt.
Durch einen Vergleich der speziellen Zuchtlinie mit der "normalen" Alge
wollen die Forscher herausfinden, welche Stoffwechselwege für den
Unterschied in der Wasserstoff-Produktion verantwortlich sind - welche
Gene in den Algen aktiv sind und welche Proteine und
Stoffwechselprodukte entstehen. "Wenn wir die genauen Mechanismen
kennen, hoffen wir, durch gezielte genetische Veränderungen neue
Generationen dieser Zuchtlinie zu erhalten, die dann eine noch
effizientere Wasserstoffproduktion aufweisen", erklärt Prof. Hippler.
Zusätzlich suchen die Forscher nach weiteren zufällig entstandenen,
bislang unbekannten Algenlinien, die ebenfalls mehr Wasserstoff
produzieren und die Forscher auf ihrer Suche nach dem idealen
Wasserstofflieferanten einen Schritt voran bringen.
Ein weiterer Ansatz ist die Verbesserung der Fermenteranlagen - der
Wassertanks, in denen die Algen unter definierten Wachstumsbedingungen
den gewünschten Wasserstoff produzieren. Ein Knackpunkt beim Bau der
Fermenter ist die Beleuchtung: Damit sie Wasserstoff produzieren,
müssen auch die Algen im Inneren der Tanks ausreichend Licht bekommen.
Bislang werden die Algen künstlich beleuchtet. Damit die Energiebilanz
am Ende stimmt, wollen die Forscher "Außenreaktoren" entwickeln, die
allein mit Sonnenlicht auskommen. Zudem sollen die Tanks deutlich
größer werden. "Unser Team will den Sprung von 25-Liter-Fermentern auf
250-Liter-Fermenter schaffen", so Prof. Hippler. Federführend bei
diesem technischen Teilprojekt sind die Forscher aus Karlsruhe.
Das Mikroalgen-Projekt ist mit der Arbeit des internationalen
Konsortiums "Solar Biofuels" verknüpft, das die Algen neben der
Wasserstoffproduktion auch zur Produktion von Biodiesel und Biomethan
nutzbar machen will. Prof. Hippler, der dem Konsortium angehört, lobt
die Vorteile, die die kleinen Algen bieten: "Die Mikroalgen wären als
Energielieferanten besonders gut geeignet. Sie benötigen kein
fruchtbares Land, im Gegensatz zu Nutzpflanzen, die zur Herstellung von
Biokraftstoffen angebaut werden, und sie treten nicht in Konkurrenz mit
der Nahrungsmittelproduktion. Zudem verbrauchen sie wesentlich weniger
Wasser - das ist gerade in trockenen Gebieten extrem wichtig."
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.