Bargeld abschaffen: Skandinavier setzen auf Plastik
Archivmeldung vom 03.11.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt"Bargeld braucht nur noch deine Oma - und der Bankräuber." Mit diesem provokanten wie programmatischen Slogan setzen sich schwedische und norwegische Gewerkschaften derzeit für ein Gesellschaftsmodell ein, das auf Barzahlungsmittel völlig verzichtet. Das Argument: Bargeld ist ein verlockendes Relikt aus längst vergangene Tagen, das Kriminalität fördert. Statt Münzen und Scheinen sollen ausschließlich die bunten Plastikkarten zur Zahlung dienen.
"Eine komplett bargeldlose Gesellschaft ist trotz des technischen Vordringens in nahezu alle Lebensbereiche international nicht vorstellbar", so Horst W. Opaschowski, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung für Zukunftsfragen http://stiftungfuerzukunftsfragen.de, im Gespräch mit pressetext. "Die Welt ist vernetzt wie nie zuvor. Zwar könnte ein derartiges System regional in einigen Ländern allein für sich funktionieren, aber nie global", warnt der Zukunftsforscher.
Die Überlegungen von Staaten wie Dänemark, Schweden oder Norwegen kommen nicht von ungefähr. Laut dem Marktforscher Lafferty http://lafferty.co.uk
bezahlt jeder Däne im Schnitt 166-mal pro Jahr mit Karte. Zum
Vergleich: Der Weltschnitt liegt bei 28 Kartentransaktionen je
Verbraucher und Jahr. Bei den Jahresumsätzen kommt Dänemark auf etwa
12.947 Dollar, Norwegen auf 8.646 Dollar, Schweden auf 6.187 Dollar und
Deutschland auf 5.444 Dollar.
Armut bleibt trotz Kartenzahlung
Anders die Lage in Deutschland: Durchschnittlich wird nur ein Drittel der Beträge direkt an der Kasse gezahlt. Und während Karten bei Internetbestellungen boomen, ist das Verhältnis in Nordeuropa umgekehrt, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Denn bis zu 95 Prozent der Kartenzahlungen werden dort im Handel getätigt. Einschränkungen wie bei der Österreichischen Post, erst ab einem Mindestbetrag von drei Euro mit Karte zahlen zu können, wären dort undenkbar.
Die Argumentation vieler Einzelhandelsvertreter, bargeldlos die Kriminalität bekämpfen zu können, ist für Fachleute wie Opaschowski nicht immer eingängig. "Obwohl sich in Zeiten der Wohlstandswende ein existenzieller Einstellungswandel ankündigt und Sicherheit für die Bürger wichtiger als Freiheit wird, glaube ich nicht, dass sich aufgrund einer bargeldlosen Gesellschaft Kriminalität abschaffen lässt", verdeutlicht Opaschowski gegenüber pressetext.
Zu tief lägen die gesellschaftlichen Gründe der größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich. Die seitens der schwedischen Notenbank erhobenen Daten klingen vielversprechend. Pro Barzahlung fallen im Schnitt 4,6 Kronen (0,50 Euro) Transaktionskosten an. Je Karte sind es hingegen nur drei Kronen. Statt Gebühren für den Karteneinsatz empfiehlt die Studie den Banken deshalb eine Gebühr für das Abheben von Bargeld an Automaten. Den ersten Schritt hat Norwegens Notenbank bereits gemacht und zieht die 50-Øre-Münzen aus dem Verkehr.
Quelle: pressetext.redaktion Florian Fügemann