Den vom Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft lebhaft befürworteten Anschluss an den Energiemarkt der EU haben Albanien, Bulgarien, Rumänien sowie vier ex-jugoslawische Folgestaaten (Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro, Mazedonien) ab Ende Oktober vorzunehmen. Tatsächlich ist die Aneignung durch westliche Großunternehmen längst beschlossen. Eine Studie der Weltbank rechnet mit einem unmittelbaren Kapitaltransfer in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Die Durchsetzung der Vertragsbestimmungen soll in Wien sichergestellt werden, wo sich Österreich eine bestimmende Kontrollfunktion im Finanzwesen gesichert hat (Financial/Legal Advisor). Beobachter rechnen mit Auseinandersetzungen um die Person des zukünftigen Direktors der Behörde, der aus einem EU-Kernstaat stammen wird.
Deutsche Energiekonzerne haben sich in den vergangenen Jahren günstige Ausgangspositionen für die Übernahme geschaffen und bauen dabei teilweise auf österreichische Unternehmen. In Ungarn, das seit dem Zusammenschluss der beiden europäischen Stromnetze im Oktober 2004 als günstiger Standort für die Eroberung des südosteuropäischen Strommarktes gilt, kontrolliert RWE zwei Stromversorger (ELMÜ, EMASZ) und hält Anteile an Gasversorgern (TIGAZ, DDGAZ). Die Düsseldorfer Eon AG schreibt Ungarn eine "Drehscheibenfunktion" auch für das Gasgeschäft in Südosteuropa zu und hat dort bedeutende Übernahmen getätigt. Wie ein Konzernsprecher gegenüber german-foreign-policy.com bestätigt, will die deutsche Eon AG ihre Position in Ungarn, Rumänien und Bulgarien weiter ausbauen.
Die bevorstehende Übernahme ist ein Ergebnis des "Stabilitätspaktes für Südosteuropa", der noch während der Dauerbombardements auf jugoslawische Städte und Dörfer im Auswärtigen Amt (AA) entworfen wurde. Die Federführung hatte der damalige Außenminister Fischer. Darin fordert das AA "ausbaufähige Absatzmärkte, Investitionsstandorte" und "Anreize für int. Unternehmenskooperation" auf dem Balkan. In Erfüllung dieser Vorgaben fand im folgenden Jahr eine "Energietagung Südosteuropa" statt, in deren Mittelpunkt die "Reorganisation und Neustrukturierung der Energiemärkte" stand. Ausrichter war die Berliner NBLD Ost Consult Holding GmbH, die im osteuropäischen Energiegeschäft für deutsche Firmen tätig ist. Im März 2002 legte die EU-Kommission entsprechende Vorschläge vor, im November 2002 hatten die betroffenen Länder eine diesbezügliche Vereinbarung zu unterzeichnen ("Athen-Prozess"). Eine neuerliche Vertragsbindung schließt am 28. Oktober die Normierungsphase ab, so dass anschließend mit der Umsetzung begonnen werden kann - unter den Augen der in Wien residierenden Kontrollbehörde über das Balkan-Protektorat.