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Ökonom sieht Deutschland in Rezession abgleiten

Archivmeldung vom 20.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Nach Einschätzung von Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit mehren sich die Zeichen für eine "deutliche Abschwächung" der deutschen Konjunktur. Er erwarte, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt 2012 auf 0,4 Prozent abfalle, gefolgt von einer Rezession in 2013 mit einem Wachstumsrückgang auf -0,5 Prozent, sagte Polleit "Handelsblatt-Online" mit Blick auf die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten, die laut dem Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Juni so stark eingebrochen sind wie seit Oktober 1998 nicht mehr.

Polleit, der auch Professor an der Frankfurt School of Finance & Management ist, begründete seine Prognose mit zu erwartenden "Abschwächungstendenzen" in anderen Euroraum-Ländern, insbesondere in China und anderen aufstrebenden Märkten. Das belaste die deutsche Konjunktur in diesem und dem kommenden Jahr, zumal die Außenhandelsabhängigkeit Deutschlands sehr ausgeprägt sei, "weil die deutsche Wirtschaft überaus eng in die internationale Arbeitsteilung und damit auch die internationale Konjunkturentwicklung integriert ist".

Kritisch für die deutsche Konjunktur sieht Polleit auch den Verlauf der Euro-Krise, die seiner Einschätzung nach auch mit einem Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro-Raum nicht enden würde. "Der hellenische Kollaps ist nur die Spitze des Eisbergs", sagte Polleit. In einer Reihe von Ländern drohten Anpassungsrezessionen als Folge von jahrelanger Misswirtschaft. "Die ‚Bekämpfungsmaßnahmen‘ – wie Zinssenkungen der EZB – werden sie nicht aus der Welt schaffen, lediglich weiter in die Zukunft verlagern – das dann aber für den Preis einer künftig noch schwereren Krise", warnte der Ökonom.

Polleit lobte in diesem Zusammenhang die Bundesregierung. "Die deutsche Position in Europa zielt – trotz aller Kritik insbesondere aus dem Ausland – in die richtige Richtung: Staatsdefizite müssen zurückgeführt werden, Strukturreformen müssen angegangen werden, und eine Inflationspolitik darf nicht stattfinden", sagte er. Dessen ungeachtet hält es Polleit für angebracht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Krisenpolitik des lockeren Geldes fortsetzen.

"Zu denken wäre ebenfalls daran, dass die Deutsche Bundesbank es den Deutschen anbietet, Teile oder auch alle ihre Einlagen, die sie im Euroraum halten, in eine ‚neue D-Mark‘ umzutauschen, wenn sie es denn wünschen." Diese neue D-Mark wäre nach Polleits Vorstellung frei konvertibel, und jedermann im In- und Ausland hätte die Freiheit zu wählen, ob er Verträge in Euro oder der D-Mark abschließen wolle. "Ein solcher Währungswettbewerb hätte disziplinierende Funktion auf die EZB", ist sich Polleit sicher: "Sie müsste von einer Inflationspolitik Abstand nehmen, weil ansonsten der Euro seine Marktfähigkeit einbüßt. Staaten und Banken würden angehalten, ihre Haushalte und Bilanzen zu gesunden, weil sie nicht mehr darauf hoffen könnten, billiges Geld in unlimitierter Menge von der EZB zu bekommen."

Wirtschaftsverband sieht Euro bei Neuverhandlungen mit Griechenland bedroht

Der Präsident des Familienunternehmer-Verbands, Lutz Goebel, hat eindringlich davor gewarnt, Griechenland die Möglichkeit einzuräumen, die Bedingungen für die internationalen Finanzhilfen im Umfang von 130 Milliarden Euro neu auszuhandeln. "Wenn sich das griechische Volk gegen den vereinbarten Reformkurs ausspricht, dann muss Europa einen geregelten Austritt des Landes konkret vorbereiten", sagte Goebel "Handelsblatt-Online". Europa und die Troika aus EU, IWF und EZB dürften keiner griechischen Regierung weiter nachgeben. "Wenn Europa hier seine letzte Glaubwürdigkeit verliert, gibt es keine Rettung mehr für den Euro", warnte der Verbandschef.

Goebel zeigte sich überzeugt, dass ein Neuanfang außerhalb des Euro der "leichtere Weg" für Griechenland wäre. "Mit den zuletzt beschlossenen 130 Milliarden Euro Krediten sollte besser der Neuanfang Griechenlands finanziert und die Folgen eines Austritts abgefedert werden", sagte er. "Die Griechen haben eine faire Chance verdient – außerhalb des Euros."

Mit großer Sorge blickt Goebel darauf, dass die in Griechenland verordneten Lohnkürzungen von 25 Prozent und weiterer Druck von außen "Extremismus und Völkerhass" schürten. "Das schadet unserer europäischen Idee mehr als ein Griechenland außerhalb des Euro, aber immer noch in der EU wie viele andere Partnerländer", sagte er. Wenn Griechenland abwerten könne, würden seine Produkte und Urlaubsorte wieder wettbewerbsfähig. "Um innere Reformen wird das griechische Volk dennoch nicht herumkommen", fügte der Verbandschef hinzu.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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