PEN-Präsident Josef Haslinger: "Amazon ist kein Buchliebhaber"
Archivmeldung vom 07.10.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJosef Haslinger, Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, wirft dem US-Onlinehändler Amazon vor, immer wieder zu versuchen, den "Rahmen des Erlaubten" bei Rabattgeschäften mit den Buchverlagen zu überschreiten. Das sagte der Chef der Schriftstellervereinigung in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" im Vorfeld der 66. Frankfurter Buchmesse. Haslinger gehört zu den deutschsprachigen Autoren, die einen öffentlichen Protestbrief gegen die Geschäftsmethoden von Amazon im Konditionsstreit mit der Verlagsgruppe Bonnier unterzeichnet haben. Mittlerweile unterstützen 2000 Autoren die Initiative "Fairer Buchmarkt".
Der Schriftsteller glaubt nicht daran, dass es Amazon im Streit mit der Verlagsgruppe Bonnier nur darum gehe, die E-Book-Preise zu senken: "Das Ziel von Amazon ist es, einen freien Markt herzustellen", sagte er, "das ist verständlich, und es kann gar nicht anders sein: Amazon ist kein Buchliebhaber, sondern ein Konzern, und der Sinn eines Konzerns liegt in der Gewinnmaximierung." Der Onlinehändler wolle "durch massenhaften Umsatz einen Marktvorteil gegenüber dem traditionellen Buchhandel erzielen". Mit der "im Prinzip populären Forderung nach der Senkung von E-Book-Preisen" versuche Amazon, die "künstlich" durch die Buchpreisbindung "geregelten Verhältnisse" auf dem deutschen Buchmarkt "aufzubrechen". Haslinger: "Man darf hier nicht nachgeben. Man wird vielleicht irgendwann ein neues Gesamtpaket schnüren, aber man kann nicht immer einen Schritt zurückweichen, und am Ende sind alle Strukturen im Buchhandel kaputt. Solange es Regeln gibt, müssen sie für alle gelten."
Nicht zuletzt auch durch die TTIP-Verhandlungen mit den USA sei die Buchpreisbindung in Gefahr, aufgehoben zu werden: "Das Wirken internationaler Konzerne wie Amazon auf dem deutschen Buchmarkt ist eine ständige Herausforderung. Der Starke will erreichen, dass hier nicht Marktsegmente künstlich durch Subventionen gestützt werden." Haslinger betonte: "Das Interesse von Kulturschaffenden muss es aber sein, einer anspruchsvollen Literatur eine Überlebenschance zu geben." Es müsse dafür gesorgt werden, dass auch in Zeiten des digitalen Wandels "eine Mindestabsicherung der Autorenschaft" aufrechterhalten bleibe.
Haslinger meint nicht, dass sich die Frankfurter Buchmesse in Zukunft zu einer reinen E-Book-Messe entwickeln wird: "Die gedruckten Bücher werden nie verschwinden. Es wird zu einer friedlichen Koexistenz beider Formen der Verbreitung von Literatur kommen." Die Frankfurter Buchmesse werde weiter ihre Funktion erfüllen: "Ändern wird sich bloß ihre Architektur."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)