Korruptionsverdacht bei Handelskonzern Rewe
Archivmeldung vom 27.09.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer Handelskonzern Rewe hat wegen des Verdachts der Korruption im eigenen Unternehmen die Kölner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Das berichten das Hamburger Magazin stern und die Schweizer Wirtschaftszeitung "Cash" übereinstimmend.
Nach Informationen des stern stellte Rewe intern fest, dass ehemalige
führende Mitarbeiter einen italienischen Großlieferanten jahrelang
beim Wareneinkauf bevorzugt haben sollen. Gegenüber der
Staatsanwaltschaft geht Rewe von der "Annahme" aus, "dass das
wettbewerbswidrige und das Vermögen der Rewe schädigende Verhalten
erkauft worden ist", heißt es in einem Rewe-Bericht. Die
Verdächtigungen zielen vor allem auf die ehemalige Konzernspitze um
den langjährigen Rewe-Vorstandschef Hans Reischl.
Reischl, der die genossenschaftlich organisierte Rewe 2004 nach 27
Jahren an der Spitze im Streit verließ, sieht in den Verdächtigungen
eine Schmutzkampagne: "An den Vorwürfen ist absolut nichts dran, das
versichere ich gern auch eidesstattlich", sagte Reischl. Er habe "nie
auch nur einen Cent als Kick-Back erhalten", so Reischl zum stern.
In einer für einen deutschen Konzern wohl einzigartigen Aktion ließen
Aufsichtsrat und Vorstand der Rewe die eigene Firma seit Sommer 2005
durchleuchten. Die internen Ermittlungen unter dem Namen "Projekt
Nightmare" ergaben, dass der italienische Obst- und Gemüselieferant
Bocchi Group über 20 Jahre hinweg beim Wareneinkauf bevorzugt worden
sei. Bocchi habe bei Rewe etwa Ware zu einem Preis absetzen können,
"der bis zu 30 Prozent über dem Marktwert lag", heißt es in einem
internen Rewe-Bericht. In anderen Fällen habe die Bocchi Group zum
Teil kleinere als die bestellten Früchte geliefert, sei aber voll
bezahlt worden. Zeugen berichten in dem Rewe-Dossier anonymisiert,
bei Bocchi-Waren habe es "auf Anweisung aus der ersten Führungsebene
nach dem Vorstand" keine Qualitätskontrollen gegeben.
Die Firma Bocchi aus Verona, die zeitweise geschätzte 1,5 Milliarden
Euro im Jahr mit Rewe umsetzte, dementierte Schmiergelder gezahlt zu
haben. "Dieser Vorwurf trifft nicht zu." Auch die Preisnachlässe
seien "unrichtig und völlig aus der Luft gegriffen".
Stutzig machten die Rewe-Leute nach Informationen des stern sowie des
Schweizer Magazins "Cash" vor allem hohe Millionenbeträge, die
zeitweise über Firmenkonten von Hans Reischl flossen, angeblich Ein-
und Auszahlungen von insgesamt über 100 Millionen Euro. Reischl gibt
an, die Höhe der Transaktionen sei "abenteuerlich und völlig aus der
Luft gegriffen". Die Gelder entstammten "privaten Geschäften. Alles
versteuert, nichts vertuscht. Mit Bocchi hat das nicht das Geringste
zu tun."
Außerdem sollen über Umwege Verbindungen zu einer Firma in
Liechtenstein bestehen, die laut Rewe-Bericht wahrscheinlich die
"Kick-Back-Zahlungen an Verantwortliche der Rewe organisiert" habe.
Reischl hierzu: "Solche Firmen kenne ich gar nicht."
Quelle: Pressemitteilung stern