Telekom-Chef Obermann: "Die Marktwirtschaft hat einen großen Reparaturbedarf"
Archivmeldung vom 24.04.2010
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEinen massiven Vertrauensverlust der sozialen Marktwirtschaft beklagt René Obermann, der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, im gemeinsamen Interview von PHOENIX und Süddeutscher Zeitung. Schuld daran seien die Finanz- und die Wirtschaftskrise, "aber eben auch die vielfachen Entgleisungen von Verantwortungsträgern". Insofern gebe es "großen Reparaturbedarf".
"Wir müssen die öffentliche Meinung wieder zugunsten der sozialen Marktwirtschaft drehen, indem wir uns dazu bekennen und entsprechend handeln", sagte Obermann im Rahmen des FORUM MANAGER, das PHOENIX an diesem Sonntag um 13.00 Uhr ausstrahlt und die Süddeutsche Zeitung auszugsweise in ihrer Montagsausgabe veröffentlicht.
Obermann verteidigte die Änderung der Arbeitsbedingungen bei der Telekom. Die Ausgliederung von 50.000 Mitarbeitern in Servicegesellschaften zu "etwas schlechteren Konditionen" sei nicht zu vergleichen mit der Arbeit in Niedriglohnbereichen. Aber auch diese seien in der Gesellschaft das "kleinere Übel". Die Sozialreformen der vergangenen Jahre hätten bewirkt, dass mehr Menschen Arbeit hätten als früher. "Die Kehrseite der Medaille sind die Niedriglohnbereiche. Ich glaube unter dem Strich, dass es besser ist, auch solche Jobs anzubieten als gar keine, weil die Menschen ihren Wert auch dadurch definieren, dass sie einen Wert für die Gesellschaft in Form von Arbeit erbringen", sagte Obermann.
Der Manager bekräftigte seinen Vorstoß für eine Frauenquote von 30 Prozent im mittleren und oberen Managements bis 2015. Man habe das Thema über Jahre diskutiert, es sei aber auch bei der Telekom zu wenig passiert. Ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen sei "zwingend erforderlich".
Obermann forderte ferner eine "moderne Regulierung". Es stellten sich heute ganz andere Fragen als bei der Privatisierung der Telekom. "Wir haben heute ein neues Kräftegleichgewicht zwischen einer Deutschen Telekom zum Beispiel und den Informationsgiganten aus den USA. Deswegen will ich, dass man die Bereiche, die keine Monopolstrukturen mehr haben, nun endlich aus der Regulierung entlässt, damit wir da auch mal frei marktwirtschaftlich handeln können. Die Hälfte unserer Preise werden in einer Behörde von Hunderten von Fachleuten festgesetzt. Das kann doch nicht sein."
Deutschland wachse in eine "Gigabyte-Gesellschaft" hinein. Dies erfordere von der Branche Investitionen alleine in Deutschland in Größenordnungen von 40 bis 50 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. "Das sind Summen, die können Sie nur stemmen, wenn Sie eine Regulierung haben, die solche riesigen Investitionen planbar macht. Da reicht keine binnenmarktzentrierte Sicht, wie sie die europäische Kommission lange Zeit verfolgte, indem sie auf sinkende Preise schaute. Das war der falsche Weg. Die Amerikaner haben die neuen Netze längst aus dieser alten Form der Regulierung rausgenommen", sagte Obermann.
Quelle: PHOENIX